Reisensburger Memorandum zum Gesetz über den Beruf der Rettungsassistentin und des Rettungsassistenten (RettAssG 1996)
( 1996)
Bereits 7 Jahre nach der Verabschiedung des Rettungsassistentengesetzes (RettAssG) fand auf Schloss Reisensburg am 18. 10. 1996 ein interdisziplinärer Workshop statt. Anlass dieser Bestandsaufnahme war die übereinstimmende Ansicht, dass sich die Hoffnungen einer grundsätzlich besseren Qualifizierung des Rettungsdienstfachpersonals mit Verabschiedung des RettAssG und der zugehörigen Ausbildungs- und Prüfungsordnung (RettAssAPrV) offensichtlich nicht erfüllt hatten.
In dem nachfolgenden Reisensburger Memorandum sind die Ursachen für die bestehenden Mängel dargelegt und die daraus resultierenden Forderungen für eine Änderung aufgezeigt und veröffentlicht (NOTARZT 13 (1997) A 11) worden.
Reisensburger Memorandum zum Gesetz über den Beruf der Rettungsassistentin und des Rettungsassistenten (RettAssG 1989)
1. Dauer und Strukturierung der Ausbildung
Dauer und Strukturierung der Ausbildung nach dem Rettungsassistentengesetz von 1989 entsprechen nicht den Erfordernissen !
In Anpassung an andere Medizinalberufe mit dreijähriger Ausbildung und im Hinblick auf die Möglichkeit einer Anerkennung innerhalb der Europäischen Gemeinschaft muss die zweijährige Ausbildung um ein Jahr erweitert werden. Es sollte geprüft werden, ob die Zugangsvoraussetzung nach § 5, Abs. 2 angehoben wird.
Um den notwendigen Wechsel und die Verzahnung zwischen theoretischer und praktischer Ausbildung zu gewährleisten, ist anstelle der derzeitigen Struktur
- zwölfmonatiger Lehrgang mit anschließender staatlicher Prüfung und danach
- zwölfmonatiger praktischer Einsatz im Rettungsdienst mit einem Abschlussgespräch
ein integrierter Lehrgang zu schaffen, an dessen Ende die staatliche Prüfung stattfindet.
Solange eine solche staatliche Abschlussprüfung noch nicht am Ende der Ausbildung erfolgt, ist durch die Länder im Rahmen ihrer Aufsichtspflicht sicherzustellen, dass das Abschlussgespräch nach § 2, Abs. 3 der RettAssAPrV von Form und Inhalt her einer tatsächlichen Feststellung der Eignung zur Ausübung des Berufs eines Rettungsassistenten entspricht.
2. Einheitlichkeit der Ausbildung
Der Gesetzgeber hat mit einem Rettungsassistentengesetz eine bundeseinheitliche Ausbildung vorgeschrieben. 7 Jahre nach Inkrafttreten dieses Gesetzes ist noch immer kein bundeseinheitlicher Mindeststandard umgesetzt.
Die ausbildenden Hilfsorganisationen ASB, DRK, JUH und MHD werden bis Ende Februar 1997 einen gemeinsamen Inhalts- und Lernzielkatalog zur Rettungsassistentenausbildung vorlegen 1).
Die Bundesländer werden aufgefordert, diese definierten Standards dann als verbindlich festzuschreiben.
3. Zu hoher Anteil verkürzt ausgebildeter Rettungsassistenten
7 Jahre nach Inkrafttreten wird das Rettungsassistentengesetz immer noch unzureichend umgesetzt. Die im Gesetz definierte Regelausbildung wird überwiegend umgangen. Ein erheblicher Teil der Rettungsassistenten durchläuft nur eine verkürzte Ausbildung nach § 8, Abs. 2. RettAssG.
Nach dieser Vorschrift wird die Ausbildung zum Rettungssanitäter (520-Stunden-Ausbildung) auf den Lehrgang angerechnet. Der Umfang der darüber hinaus erforderlichen praktischen Tätigkeit im Rettungsdienst ist bisher nicht definiert.
Die Teilnehmer des Workshops empfehlen einheitlich und nachdrücklich, dass der Antrag auf Anrechnung in Zukunft erst dann gestellt werden kann, wenn der Bewerber mindestens 2 Jahre als Rettungssanitäter eingesetzt war und in dieser Zeit an mindestens 600 Einsätzen im Rettungsdienst teilgenommen hat.
Dies setzt voraus, dass Satz 2 in § 8, Abs. 2 gestrichen und durch einen die voranstehenden Forderungen berücksichtigenden Satz ersetzt wird.
Zuständig für die Umsetzung der Gesetzesänderung – auf Antrag des Berufsausschusses der Arbeitsgemeinschaft der Leitenden Medizinalbeamten – ist der Bund, für die Durchführung der geänderten Vorschrift sind die Länder verantwortlich.
4. Probleme der Qualitätssicherung in Schule, Klinik und Lehrrettungswache
Die Zahl der Schulen ist angesichts des auf dem Workshop errechneten Jahresbedarf von ca. 100 Lehrgängen für Rettungsassistenten (Kalkulationsgrundlage: ca. 8% der 25.000 hauptberuflich im Rettungsdienst tätigen Arbeitskräfte müssen jährlich ersetzt werden, maximale Teilnehmerzahl eines Lehrgangs: 20 Personen) zu hoch.
Aus ökonomischen Gründen sind mehrzügige Schulen anzustreben, die auch andere Rettungsdienstlehrgänge (z.B. Ausbildung von Rettungssanitätern) anbieten.
Es muss sichergestellt werden, dass die Zahl der Schulen reduziert und deren Leistungsfähigkeit erhöht wird. Anzustreben ist eine bundeseinheitliche Strukturqualität, die ggf. durch ein Zertifikat zu bestätigen ist.
Folgende Standards sind festzuschreiben
- räumliche Vorgaben (bauliche Veränderungen)
- Qualifikation des Lehrpersonals
- Art und Umfang des Lehrmaterials
- Ausbildung nach einheitlichen Lernzielkatalogen.
Für die Gestaltung des Unterrichts sind als Berater im besonderen Maße Ärzte mit fundierten notfallmedizinischen Kenntnissen und Erfahrungen und zusätzlich kompetente Vertreter aller im Gesetz genannten Fachbereiche erforderlich.
Die Schule ist verpflichtet, die Durchführung der Praktika in Krankenhaus und Lehrrettungswache zu überprüfen sowie Konsequenzen aus einem wechselseitigen Erfahrungsaustausch zu ziehen.
Jede Schule hat nachzuweisen, dass für jeden Auszubildenden ein Praktikantenplatz im Lehrkrankenhaus und auf einer Lehrrettungswache (praktische Tätigkeit § 7 RettAssG) zur Verfügung steht. Praktikantenplätze sind mit Lehrkrankenhäusern und Lehrrettungswachen vertraglich abzusichern.
Die ausbildenden Hilfsorganisationen ASB, DRK, JUH und MHD werden bis Ende Februar 1997 Standards hinsichtlich der
- räumlichen und materiellen Anforderungen an eine Rettungsdienstschule
- der Qualifikation der Lehrkräfte
- der Lehr- und Lernmaterialien entwickeln.
Zur Qualifikation der Lehrrettungsassistenten, unter deren Aufsicht der Praktikant auf Lehrrettungswachen tätig ist, sind in gleicher Weise die gemeinsam getragenen Grundsätze der ausbildenden Hilfsorganisationen zur Ausbildung von Lehrrettungsassistenten einzuhalten.
5. Unzureichende Finanzierung der Rettungsassistentenausbildung
Die bisherige Finanzierungssituation der Entgeltzahlung für Auszubildende ist völlig unzureichend !
Die Ausbildungskosten sind Kosten des Rettungsdienstes, sofern die Ausbildungsstelle auf den Stellenplan angerechnet wird. Unter dieser Voraussetzung müssen diese Kosten über die Benutzerentgelte finanziert werden.
Die Ausbildung muss für den Auszubildenden kostenfrei sein; zudem muss von Ausbildungsbeginn an eine Ausbildungsvergütung gezahlt werden. Diese sollte je nach Ausbildungszeit gestaffelt sein.
Die Länder werden aufgefordert, dies Forderung zur Finanzierung der Ausbildung in die länderspezifischen Regelungen zum Rettungsdienst aufzunehmen. Ferner werden die Länder aufgefordert, sich an den Kosten der Ausbildungsstätten zu beteiligen, wie dies zum Beispiel im Freistaat Bayern praktiziert wird.
- Das Curriculum als Gemeinsame Ausbildungsgrundlage der Rettungsdienstorganisationen ASB, DRK, JUH, MHD und der Berufsfeuerwehren (es ist nicht bekannt, warum der Deutsche Feuerwehrverband, der auch Feuerwehren, die keine Berufsfeuerwehr sind vetritt, nicht beteiligt wurde) wurde von diesen inzwischen erstellt und, nachdem die Einwände der BAND, DIVI und Bundesärztekammer nachträglich berücksichtigt wurden, im Dezember 1999 – von der ‚Ständigen Konferenz‘ herausgegeben – veröffentlicht ( DRK-Beschaffungs- und Vertriebs GmbH, Liebigstrasse 8, 48301 Nottuln).