Die Bundesvereinigung der Notarzt-Arbeitsgemeinschaften unterstützt die Durchführung heilkundlicher Maßnahmen durch  Notfallsanitäter/innen im Rahmen der Neuregelung des Notfallsanitätergesetzes

BAND-Statement zur Änderung des Notfallsanitätergesetzes (April 2021)

Anfang März 2021 trat eine Änderung des Notfallsanitätergesetzes (NotSanG) in Kraft. Das Ziel dieser Änderung ist die Schaffung einer rechtssicheren Arbeitsgrundlage für Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter im Zusammenhang mit eigenverantwortlichen Entscheidungen zum Einsatz heilkundlicher Maßnahmen in besonderen Situationen.

Im NotSanG ist vorgesehen, dass Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter im Zuge der Delegation diejenigen heilkundlichen Maßnahmen eigenständig durchführen können, die „vom Ärztlichen Leiter Rettungsdienst oder entsprechend verantwortlichen Ärztinnen oder Ärzten bei bestimmten notfallmedizinischen Zustandsbildern und -situationen standardmäßig vorgegeben, überprüft und verantwortet werden.“

Durch die Neuregelung ist darüber hinaus sichergestellt, dass Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter auch in besonderen Situationen bis zum Eintreffen eines Notarztes oder bis zum Beginn einer weiteren ärztlichen, auch teleärztlichen, Versorgung „heilkundliche Maßnahmen, einschließlich heilkundlicher Maßnahmen invasiver Art“, eigenverantwortlich durchführen dürfen. Voraussetzung dafür ist, dass sie diese in ihrer Ausbildung erlernt haben und beherrschen und die Maßnahmen zugleich erforderlich sind, um Lebensgefahr oder wesentliche Folgeschäden von Patienten abzuwenden. Mit dieser Neuregelung wird die überfällige Anerkennung und Aufwertung des Berufsbildes vollzogen, da nun zur Legitimierung heilkundlicher Maßnahmen unter den beschriebenen Bedingungen nicht mehr die Vorschriften zum „Rechtfertigenden Notstand“ des Strafgesetzbuches erforderlich sind.

Die Intention dieser Änderung hat der Gestezgeber in ausführlichen Begründungstexten erläutert (1, 2). Denen zufolge ist die eigenverantwortliche Ausübung heilkundlicher Maßnahmen keine originäre Aufgabe der Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter und somit auch kein originäres Ziel von Kompetenzvermittlung in der Ausbildung. Jedoch wird die eigenverantwortliche Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten situationsabhängig in begrenztem Umfang gestattet. Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter übernehmen von dem Zeitpunkt an, in dem sie sich eigenverantwortlich für die Durchführung einer heilkundlichen Maßnahme entscheiden, auch haftungs­rechtlich die alleinige Verantwortung für ihre Tätigkeit. Diese Verantwortung beinhaltet die Abwägung, dass die vorgenommene Maßnahme zum Zeitpunkt ihrer Durchführung die einzig mögliche und angemessene Option ist. Treffen die genannten Rahmenbedingungen zu, sind Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter – je nach Bundesland – durch die Amtshaftung bzw. wie in Baden-Württemberg über die DRK-Kreisverbände als Träger des Rettungsdienstes abgesichert.

Mit Blick auf die besondere Verantwortung, auch Haftungsverantwortung, ist die Neuregelung von dem Grundgedanken getragen, dass Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter diese Verantwortung, die dem Schutz der Patienten dienen soll, nur in den besonderen Ausnahmefällen übernehmen müssen, in denen keine zeitgerechte notärztliche Versorgung möglich ist. Auf eine stärkere Konkretisierung von Vorgaben – wie ursprünglich vorgesehen – wurde verzichtet, „um zu vermeiden, dass in entsprechenden Einsatzsituationen rechtliche oder tatsächliche Fragen für Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter auftreten können, die ihren Einsatz ggf. verzögern oder hemmen könnten“. Eine exakte Beschreibung von Szenarien, in denen die unmittelbare, eigenverantwortliche Durchführung heilkundlicher Maßnahmen durch Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter erforderlich ist, ist aufgrund der Vielzahl denkbarer rettungsdienstlicher Notfallsituationen nicht trivial.

Auf die in früheren Versionen des Gesetzentwurfs vorgesehene Erarbeitung von Mustern für standardmäßige Vorgaben für das eigenständige Durchführen von heilkundlichen Maßnahmen bei bestimmten notfallmedizinischen Zustandsbildern und -situationen durch das Bundesministerium für Gesundheit wurde nach Beratung im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages verzichtet. Hier wurde ausdrücklich darauf verwiesen, dass „solche Vorgaben im Grundsatz bereits von den Ärztlichen Leitern Rettungsdienst im Rahmen des sogenannten Pyramidenprozesses entwickelt wurden“. Damit verbunden ist die Erwartung des Gesetzgebers, dass durch die verstärkte bundesweite und flächendeckende Anwendung dieser Vorgaben eine weiter verbesserte Rechtssicherheit der Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter für die Durchführung heilkundlicher Maßnahmen im Wege der Delegation und somit ohne Übernahme der Haftungsverantwortung geschaffen werden kann.

In Ergänzung nimmt der Gesetzgeber Bezug auf den neu eingeführten Begriff der „teleärztlichen“ Versorgung als eine Möglichkeit der ärztlichen Versorgung über eine räumliche Distanz. Den Bundesländern wird die Aufgabe zugeordnet, zu entscheiden, welche ärztliche Person in der jeweiligen Struktur des Rettungsdienstes oder in dem jeweiligen Einsatzgeschehen die Funktion des sogenannten „Telearztes“ übernimmt.

  1. Gesetzentwurf der Bundesregierung Entwurf eines Gesetzes zur Reform der technischen Assistenzberufe in der Medizin und zur Änderung weiterer Gesetze (MTA-Reform-Gesetz). Deutscher Bundestag, Drucksache 19/24447, 19. Wahlperiode, 18.11.2020
  2. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung– Drucksache 19/24447 – Entwurf eines Gesetzes zur Reform der technischen Assistenzberufe in der Medizin und zur Änderung weiterer Gesetze (MTA-Reform-Gesetz). Deutscher Bundestag Drucksache 19/26249, 19. Wahlperiode, 27.01.2021

 

Für die erfolgreiche Umsetzung des geänderten NotSanG ergeben sich aus Sicht der BAND folgende Forderungen:

  • Für die Maßnahmen der Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter in der präklinischen Versorgung sollten einheitliche, ggf. an regionale Besonderheiten angepasste standardmäßige Vorgaben in allen Gebietskörperschaften gelten.
  • Die Ärztliche Leitung des Rettungsdienstes benötigt Unterstützung und Absicherung seitens des Trägers bei Implementierung, Überprüfung und Rezertifizierung von standardmäßigen Vorgaben für die eigenständige Durchführung heilkundlicher Maßnahmen im Rahmen der Mitwirkung. Eine regelmäßige Überprüfung und Bestätigung des indiviuellen Leistungsstandes (Rezertifizierung) ist eine unerlässliche Voraussetzung für eine wirksame Delegation. Um die Maßnahmen im Sinne des NotSanG vorgeben, überprüfen und verantworten zu können, ist eine entsprechende arbeitsvertragliche Aufgabenbeschreibung sowie eine geeignete personelle und instrumentelle Ausstattung notwendig. Durch ein möglichst umfassendes Spektrum standardmäßiger Vorgaben wird die Grundlage für eine funktionelle Selbständigkeit von Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitätern sowie für weitgehende Rechtssicherheit bei ihrer Tätigkeit geschaffen.
  • Auch nach der Gesetzesänderung kann auf die Alarmierung bzw. Nachforderung eines Notarztes nicht verzichtet werden, wenn Lebensgefahr besteht oder wesentliche Folgeschäden drohen. Dabei ist nach dem Notarztindikationskatalog bzw. nach den standardmäßigen Vorgaben der ÄLRD zu verfahren.
  • Die Träger des Rettungsdienstes müssen durch geeignete Planung von Notarztstandorten und eine sachgerechte Indikation und Disposition des Notarzteinsatzes sicherstellen, dass die eigenverantwortliche Durchführung heilkundlicher Maßnahmen durch Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter nur im Ausnahmefall notwendig wird.
  • Die telenotfallmedizinische Unterstützung des Rettungsdienstes muss durch eine Fachärztin oder einen Facharzt erfolgen, die/der in die rettungsdienstlichen Strukturen eingebunden ist und über aktive notärztliche Erfahrungen aus dem Notfall- und Sekundäreinsatz verfügt. Die Tätigkeit der telenotfallmedizinisch unterstützenden Ärztinnen und Ärzte muss – wie auch bei den Notärztinnen und Notärzten im Einsatz vor Ort – durch die Amtshaftung bzw. Haftung der Leistungserbringer gedeckt sein. Die besondere Qualifikation ist durch eine curriculäre Schulung nach einheitlichen Vorgaben sicherzustellen. Beispielhaft kann auf ein erstes gemeinsames Curriculum der Ärztekammern Nordrhein und Westfalen-Lippe verwiesen werden.
  • Aus- und Fortbildung von Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitätern sowie von Notärztinnen und Notärzten müssen umfänglich auf die neue Situation ausgerichtet werden. Es sollte Raum für gemeinsame Fortbildungen geschaffen werden.