12. Leinsweiler Gespräche (agswn e.V. in Zusammenarbeit mit INM, IfN und BAND) vom 29.–30.06.2007
Das Gebot der Wirtschaftlichkeit dominiert in allen Bereichen des Gesundheitswesens. Dabei ist die Sichtweise der Gesunden (Beitragsstabilität bei den Sozialabgaben) eine ganz andere als die Sicht der Kranken (medizinische Versorgung auf höchstmöglichem Niveau). Die Kostenträger stehen unter erheblichem Sparzwang und fordern von ihren gesundheitspolitischen Partnern ein differenziertes Kostenbewusstsein in allen Leistungsbereichen ein. Dies hat auch gravierende Auswirkungen auf die notfallmedizinische Versorgung der Bevölkerung. Hilfsorganisationen und Rettungszweckverbände suchen nach Einsparpotenzialen im personalintensiven Rettungsdienst, Kliniken buhlen um wirtschaftlich interessante Notfallpatienten und reduzieren gleichzeitig aus ihrer Sicht unwirtschaftliche Kapazitäten der Akutversorgung, insbesondere im traumatologischen Bereich. Der Notarzt sitzt in seinem Bemühen, Anwalt des Notfallpatienten zu sein, zwischen allen Stühlen.
T. Schlechtriemen1, 6 , B. Dirks2 , C.-K. Lackner3 , H. Moecke4 , D. Blumenberg 5
1 Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie, Klinikum Saarbrücken
2 Sektion Notfallmedizin, Klinik für Anästhesiologie, Universität Ulm
3 Institut für Notfallmedizin und Medizinmanagement (INM), Klinikum der Universität München
4 Asklepios Klinik Nord, Institut für Notfallmedizin, LBK Hamburg GmbH, Hamburg
5 Klinik für Anästhesiologie, Klinikum Osnabrück
6 Rettungsdienst Saarland, Rettungszweckverband Saar, Bexbach
Wirtschaftlichkeit im Rettungsdienst
12. Leinsweiler Gespräche der agswn e.V. in Zusammenarbeit mit INM, IfN und BAND, 29.- 30. Juni 2007
Das Gebot der Wirtschaftlichkeit dominiert in allen Bereichen des Gesundheitswesens. Dabei ist die Sichtweise der Gesunden (Beitragsstabilität bei den Sozialabgaben) eine ganz andere als die Sicht der Kranken (medizinische Versorgung auf höchstmöglichem Niveau). Die Kostenträger stehen unter erheblichem Sparzwang und fordern von ihren gesundheitspolitischen Partnern ein differenziertes Kostenbewusstsein in allen Leistungsbereichen ein. Dies hat auch gravierende Auswirkungen auf die notfallmedizinische Versorgung der Bevölkerung. Hilfsorganisationen und Rettungszweckverbände suchen nach Einsparpotenzialen im personalintensiven Rettungsdienst, Kliniken buhlen um wirtschaftlich interessante Notfallpatienten und reduzieren gleichzeitig aus ihrer Sicht unwirtschaftliche Kapazitäten der Akutversorgung, insbesondere im traumatologischen Bereich. Der Notarzt sitzt in seinem Bemühen, Anwalt des Notfallpatienten zu sein, zwischen allen Stühlen.
Die 12. Leinsweiler Gespräche beschäftigten sich daher mit dem zentralen Thema Wirtschaft-lichkeit im Rettungsdienst. Teilnehmer der Veranstaltung waren verantwortliche Vertreter der Hilfsorganisationen, Mitarbeiter der Kostenträger sowie Vertreter der für den Rettungsdienst zuständigen Ministerien der Länder und der Arbeitsgemeinschaften der Notärzte.
Zukunftsfähigkeit eines qualitativ hochwertigen Rettungsdienstes
Zu Beginn des Symposiums nahm B. Dirks (Ulm) in einem Grundsatzreferat aus notärztlicher Sicht dazu Stellung, wie eine bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung auf dem aktuellen Stand der Notfallmedizin zukünftig ermöglicht werden kann. Der aktuelle Stand der Notfallmedizin umfasst präklinisch insbesondere Diagnose und Therapie nach den Leitlinien der jeweiligen Fachgesellschaften sowie die Auswahl der für das spezifische Krankheitsbild geeigneten Zielklinik. Um dies bedarfsgerecht umsetzen zu können, ist eine optimale rettungsdienstliche Infrastruktur erforderlich, die beispielsweise für die Rettungsleitstelle als zentrale Schaltstelle des Rettungsdienstes die Nutzung der europaweit vorgegebenen Notrufnummer 112, Leitstellentechnologie auf neuestem Stand, gut geschultes Personal (z. B. Ausbildung in Gesprächsführung, Dispositionsvorgaben des ÄLRD) sowie die Nutzung von GPS-gestützten grafischen Dispositionssystemen umfasst. Die Standortverteilung der Rettungsmittel muss die Einhaltung der gesetzlich festgelegten und in den Landesrettungsdienstgesetzen oder deren Ausführungsverordnungen verankerten Hilfsfrist ermöglichen.
Durch die Zusatzbezeichnung Notfallmedizin und die längst überfällige Novellierung der Ausbildung der Rettungsassistenten sowie eine praxisnahe verpflichtende notfallmedizinische Fortbildung ist eine geeignete Personalqualifikation zu sichern. Die materielle Ausstattung der Rettungsmittel muss dem aktuellen Stand der Notfallmedizin entsprechen (z. B. 12-Kanal-EKG, Möglichkeit der Thrombolyse, AED-Ausstattung der KTWs). Aber auch die gesundheitspolitische Krankenhausplanung sollte für den Erhalt einer Krankenhausinfrastruktur sorgen, die das zeitgerechte Erreichen geeigneter Zielkliniken ermöglicht. Dirks fasste seine Ausführungen mit der Feststellung zusammen, dass der Bedarf einer Versorgung auf dem aktuellen Stand der Notfallmedizin notärztlicherseits breit diskutiert und gut definiert ist. Bei wachsenden diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten, von denen der Patient zu profitieren erwartet, und gleichzeitig steigender demografischer Last ist die vielfach geforderte kostenneutrale Entwicklung der Notfallmedizin unmöglich. Es ist Aufgabe der Politik, den gewünschten Erfüllungsgrad notfallmedizinischer Möglichkeiten nach Zeit und Umfang im gesellschaftlichen Konsens zu definieren.
Wie trotz Verbesserung der Qualität Kosten im Rettungsdienst eingespart werden können, erläuterten M. Bayeff-Filloff (Rosenheim) und S. Gross (München) am Beispiel der bayerischen TRUST-Studie. Vor Studienbeginn stellte sich die Situation in Bayern – und dies gilt sicherlich für alle übrigen Bundesländer in ähnlicher Weise – so dar, dass Aufgaben- und Kostenträger im Rettungsdienst über keine neutrale Datengrundlage zur Entscheidungsfindung in Fragen der rettungsdienstlichen Infrastruktur verfügten.
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Die Bedarfsfeststellung erfolgte in der Regel durch die rettungsdienstlichen Leistungserbringer selbst.
Mangels neutraler Entscheidungsgrundlagen wurden politisch geprägte Festlegungen hinsichtlich Infrastruktur und Versorgungsbedarf getroffen. Entscheidendes Ziel der Trend- und Strukturanalyse (TRUST-Gutachten; http://www.inm-online.de/de/gutachten/trust/index.html) waren transparenzbildende Maßnahmen auf der Grundlage von wissenschaftlich gesicherter Methodik (Bedarfsermittlung nach dem Perzentilenmodell, Analyse des Standortnetzes mit GIS-System) inklusive „Was-wäre-wenn-Analysen“ mittels Computersimulation mit konsekutiver Personalbedarfs- und Personalkostenanalyse. Auf dem Boden einer transparenten und einheitlichen Datengrundlage lassen sich mit einer Optimierung der Struktur- und Prozessqualität im Rettungsdienst unnötige Strukturen abbauen, die Personalkosten des Einsatzpersonals (mit 65% größter Kostenblock im Rettungsdienst) beispielsweise durch Optimierung der Fachkraftquote auf die Erstattung des Notwendigen begrenzen und die Effizienz des Rettungsdienstes durch Reduzierung rettungsdienstfremder Leistungen (z. lange Verweildauer am Zielkrankenhaus durch Einbindung des Rettungsdienstpersonals in innerklinische Transportaufgaben) steigern. Insgesamt konnte so im Jahr 2004 ein Betrag von 21,9 Mio. EUR eingespart und die Kostensteigerung im Rettungsdienst seit 2004 deutlich abgebremst werden.
In der sich den Referaten anschließenden Plenumsdiskussion wurde festgestellt, dass die Bedarfsfestlegung im Rettungsdienst klare gesetzliche Regelungen bezüglich Hilfsfrist und Sicherheitsniveau sowie eine neutrale, sauber erhobene Datenbasis erfordert. Regionale oder gar nur standortbezogene rettungsdienstliche Gutachten sind nicht zielführend, sondern ein flächendeckendes, landesweites Datenmanagement sollte Grundlage der Bedarfsfestlegung sein. Nach Erfahrung einiger Diskussionsteilnehmer lassen sich landesweit einheitliche Vorgaben gegen lokalpolitischen Widerstand besser durchsetzen. Als Resümee wurde festgehalten, dass die politischen Entscheidungsträger in der Verantwortung stehen, die Bediensicherheit des Rettungsdienstes definieren zu müssen, und die gesellschaftliche Vorgabe, welcher Standard noch finanziert werden kann, zu treffen haben. Die Diskussionsteilnehmer waren sich jedoch auch darüber einig, dass eine Strukturoptimierung im Rettungsdienst wichtig ist, aber auch die Überwachung der medizinischen Versorgungsqualität essenziell ist, etwa durch Qualitätsmanagement von Tracerdiagnosen, Überwachung der Qualität der Leitstellendisposition mittels beispielsweise der in Hessen genutzten Rückmeldezahl und Überwachung der Zeitspanne bis zur definitiven Versorgung von Hochrisikopatienten an der Schnittstelle zu den Zielkliniken („timeto definitive care“). Dabei müssen die Kostenträger in die Bedarfsfestlegung wie die QM-Prozesse eingebunden werden, denn nur so tragen sie die Ergebnisse mit. Gerade die Schnittstelle zu den Kliniken trägt in für den Rettungsdienst zukunftsweisenden Netzwerkkonzepten (z. B. Traumanetzwerk der DGU, Herzinfarktnetzwerk) zur Optimierung der medizinischen Versorgungsqualität wie der bereichsübergreifenden Umsetzung von QM-Vorgaben bei.
Mit dem „Faktor Personal“, der größten Kostenherausforderung im Rettungsdienst, befasste sich K. Runggaldier (Köln) in seinem Referat „Preisdumping im Rettungsdienst – ein Fass ohne Boden“. Der große Kostendruck im Gesundheitswesen sowie die wettbewerbsrechtlichen Entwicklungen auf EU-Ebene führen zu einer veränderten und neuen Verteilung des Marktes. Qualität wird unterstellt, und es zählt ausschließlich der Preis einer Dienstleistung, was dazu führt, dass sich einige Leistungserbringer Aufträge zum Teil „um jeden Preis“ mit konsekutivem Lohndumping (die größten Einsparpotenziale liegen mit 70–80% der Gesamtkosten im Personalbereich) und manchmal auch Spendenquersubventionierung sichern. Aufgrund der Heterogenität des bundesdeutschen Rettungsdienstes wird die Dramatik dieser Entwicklung noch nicht überall erkannt, und es variieren die rettungsdienstlichen Vorhaltekosten bundesweit um bis zu 150%. Konkret variiert das Nettogehalt eines Rettungsassistenten von 900 EUR bis zu 1900 EUR. Um trotz dieser Entwicklung einen qualitativ hochwertigen Rettungsdienst auch zukünftig gewährleisten zu können, bedarf es einer transparenten und eindeutigen Ausschreibung rettungsdienstlicher Leistungen. Definition, vertragliche Fixierung und insbesondere auch Überprüfung von Mindeststandards in der Leistungserbringung mit klaren, eindeutigen Messkriterien beispielsweise zur Personalqualifikation und -weiterbildung oder zur medizinischen Versorgungsqualität sind hierbei essenziell. Schlechte Leistungen sowie Vertrags- oder gar Gesetzesverstöße müssen konsequent geahndet werden und Auswirkungen auf zukünftige Ausschreibungen haben.
In der anschließenden Plenumsdiskussion wurde festgestellt, dass das europäische Wettbewerbsrecht zu bedenklichen sozialpolitischen Veränderungen, wie beispielsweise der Ausgründung von GmbHs sowie der Reduzierung von Vollarbeitsverhältnissen, führt. In einigen Kommunen gibt es mittlerweile ein Kaskadenmodell für das Einkommen der Rettungsdienst-
mitarbeiter, in dem die gleiche Arbeitsleistung aufgrund unterschiedlicher Anstellungs-verhältnisse höchst unterschiedlich bezahlt wird. Dies hat klare Auswirkungen auf die Arbeitszufriedenheit und die Arbeitsqualität. Die Diskussionsteilnehmer unterstützten die von Runggaldier in seinem Vortrag vorgegebene Forderung nach Definition klarer Qualitätsvorgaben in Ausschreibungen, um missbräuchliche Entwicklungen zu reduzieren. Sie wiesen hierzu aber auch darauf hin, dass die Überprüfung und Kontrolle von Ausschreibungsvorgaben wegen schlechter Daten oft nur eingeschränkt möglich ist. Aus Sicht der Vertreter der Länderministerien wurde diskutiert, dass Ausschreibungen mit kurzer Laufzeit (alle 4–5 Jahre) im Rettungsdienst die Schwierigkeit beinhalten, dass zum Teil notwendige erhebliche Investitionen nicht sicher refinanziert werden können. Die Vertreter der Krankenkassen betonten, dass die Kostenträger Qualitätsvorgaben bei sinnvoller Einbindung in die Vergabeverfahren sehr wohl mittragen. Allerdings müsse der zu erbringende Leistungskatalog im Vorfeld differenziert abgesprochen werden. Die Diskussion führte zu dem Resümee, dass eine unabhängige Kontrolle der Erfüllung der mit der Vergabe vereinbarten medizinischen Versorgungskriterien durch den Ärztlichen Leiter Rettungsdienst Voraussetzung für eine suffiziente und bedarfsgerechte präklinische Patientenversorgung ist.
Beitrag der Partner im Rettungsdienst
Der 2. Tag der Leinsweiler Gespräche beschäftigte sich mit dem Beitrag der Hilfsorganisationen und der Kostenträger zur Optimierung der Wirtschaftlichkeit des Rettungsdienstes. S. Topp (Berlin) analysierte in seinem Vortrag kritisch die Kostenstrukturen des Rettungsdienstes. Die Rahmenbedingungen der Dienstleistung „Rettungsdienst“ sind von den Hilfsorganisationen als Leistungserbringer im Rettungsdienst wenig beeinflussbar und werden fast ausschließlich durch die Leistungsträger bzw. Leistungsbeschreiber (z. B. Landesgesetzgeber) festgelegt. So definiert die in der Regel gesetzlich vorgegebene Hilfsfrist die Infrastruktur und damit die Vorhaltekosten des Rettungsdienstes. Die Vorgaben zur Personalqualifikation beeinflussen nachhaltig die Personalkosten, die im Rettungsdienst 70–80% der Gesamtkosten ausmachen (s. oben), und die vorgeschriebenen Ausrüstungsstandards der Rettungsmittel (z. B. EN 1789 für Kranken- und Rettungswagen oder DIN 75 079 für Notarzteinsatzfahrzeuge) legen die Sachkosten weitgehend fest. Bei somit sehr eingeschränkten Reaktionsmöglichkeiten hinsichtlich der Fixkosten des Rettungsdienstes sollen kostenrelevante Entwicklungen wie höheres Fahrtaufkommen infolge der demografischen Entwicklung, Strukturveränderungen in der Krankenhauslandschaft mit abnehmender Zahl an Akutkrankenhäusern und damit verlängerten Transportstrecken, detaillierte Kostenrechnung mit Trennung von Notfallrettung und Krankentransport sowie höhere Qualifikationsvorgaben (z. B. Rettungsassistenten in NEFs) und Veränderungen der Arbeitszeitvorgaben möglichst kostenneutral umgesetzt werden. Dies ist nicht möglich: Kostensteigerungen durch Veränderungen der Rahmenbedingungen sind allenfalls abzufedern durch Kosteneinsparungen z. B. im organisatorischen Bereich (Zusammenfassung von Rettungsdienstbereichen zu größeren operativen Einheiten, gemeinsame Fahrzeug- und Materialbeschaffung, Nutzung von Querverbindungen zwischen Notfallrettung und Krankentransport sowie zwischen Rettungsdienst und Katastrophenschutz). Hierbei ist der Rückgriff auf belastbare Daten (analog zum TRUST-Gutachten in Bayern) sowie eine enge Kooperation zwischen Trägern des Rettungsdienstes, Leistungserbringern und Kostenträgern v. a. durch Definition einheitlicher Qualitätsstandards – auch als Grundlage von Ausschreibungen – unverzichtbar.
In der anschließenden Diskussion wurde insbesondere die Thematik einer Querverbindung von Rettungsdienst und Katastrophenschutz ausgiebig diskutiert. Während auf der einen Seite eine Querfinanzierung gesellschaftlicher Aufgaben (Katastrophenschutz) durch den Rettungsdienst – auch wegen der unterschiedlichen Kostenträger – abgelehnt wurde, wiesen andere Diskussionsteilnehmer darauf hin, dass massive Synergieeffekte zwischen beiden Aufgabenbereichen insbesondere beim Massenanfall von Verletzten (MANV) bzw. Massenanfall von Erkrankten/Infizierten (MANI) genutzt werden müssten. Katastrophenschutz sei ohne Hilfsorganisationen weder denkbar noch finanzierbar. Brechen den Hilfsorganisationen die Einnahmen im Rettungsdienst weg, fehlen sie im Katastrophenschutz. Allerdings darf die Querverbindung zwischen Rettungsdienst und Katastrophenschutz nicht als Totschlagsargument gegen eine exakte Kostenrechnung im Rettungsdienst angeführt werden.
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Qualitätssteigernde Initiativen müssen nicht zum Verzicht auf ehrenamtliches Engagement im Rettungsdienst führen
Ein weiteres wichtiges Diskussionsthema war die Bedeutung des ehrenamtlichen Engagements im Rettungsdienst, und zwar im Hinblick auf Qualität und Wirtschaftlichkeit. Man war sich einig, dass im Rettungsdienst nicht nach Anstellungsstatus, sondern nach Qualifikation differenziert wird, aber mit zunehmender Qualifikation der Anteil der ehrenamtlichen Mitarbeiter abnimmt. Qualitätssteigernde Initiativen – wie etwa die berufspolitisch seit Langem geforderte 3-jährige Ausbildung der Rettungsassistenten – müssen nicht zwangsläufig zum Verzicht auf ehrenamtliches Engagement im Rettungsdienst führen. Finanzierbar ist kein rein hauptamtliches System, insbesondere nicht, wenn der medizinische Katastrophenschutz ebenfalls abgedeckt werden soll. Sinnvoll ist ein qualifiziertes Ehrenamt mit differenzierten Aufgaben (z. B. als Fahrer der Rettungsmittel) unter Qualitätskontrolle des Ärztlichen Leiters Rettungsdienst.
H.-J. Junker und M. Heck (Hanau) stellten in ihrem Referat „Kostenträger – nur Rotstift oder auch Ideen zur Kostenreduktion“ dar, dass aus Sicht der Kostenträger Optimierungs-potenzial zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit insbesondere bei der Einsatzsteuerung im Bereich der Rettungsleitstelle, in den Auswahlverfahren zur Vergabe rettungsdienstlicher Leistungen und im Bereich der Notarztsysteme besteht. Allein durch die Zusammenlegung von kleinen zu überregionalen Rettungsleitstellen lassen sich erhebliche Einsparpotenziale im Bereich der Leitstelle selbst wie durch bessere Regulation der Patientenströme erzielen. Für Niedersachsen berechnete das zuständige Fachministerium, dass mit der geplanten Leitstellenreduzierung der notwendige Investitionsbedarf für den Digitalfunk sogar überkompensiert wird. Insbesondere sollten die Leitstellenbereiche den Krankenhausversorgungsbereichen der überregionalen Kliniken angepasst sein. Dispositionsstrategien der Rettungsleitstellen, die nicht auf nachvollziehbaren Algorithmen beruhen, führen verstärkt zu unnötigen Kosten, beispielsweise Fehleinweisung in für die Versorgung ungeeignete Zielkliniken mit anschließender Weiterverlegung. Durch Implementierung von GPS-gesteuerter Disposition und Umsetzung mobiler Wachenstrategien lassen sich – wie von der AOK Hessen unterstützte Modellprojekte zeigen – die verfügbaren Rettungsmittel optimal nutzen und unnötige Vorhaltungen reduzieren.
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Die Synchronisierung von Rettungsdienst- und Krankenhausplanung ist erforderlich
Durch konsequente Einführung von Auswahlverfahren zur Vergabe rettungsdienstlicher Leistungen unter Einbindung des Rettungsdienstträgers, des Ärztlichen Leiters Rettungsdienst und der Krankenkassen können nicht nur die EU-rechtlichen Vorgaben eingehalten, sondern v. a. die rettungsdienstliche Leistung auf einem für alle Leistungserbringer einheitlichen und verbindlichen Qualitätsniveau festgeschrieben werden. Derart transparent gemachte Leistungsanforderungen optimieren die Kosten und folgen dem Wirtschaftlichkeitsgebot der Kostenträger.
Im Bereich der Notarztsysteme, deren Kosten innerhalb eines Bundeslandes erheblich variieren, liegen aus Sicht der Kostenträger Einsparungspotenziale insbesondere im Bereich organisatorischer Maßnahmen, die die Nutzung der notärztlichen Arbeitskraft in den Standortkliniken außerhalb der Einsatzzeiten gewährleisten, sowie in der Berücksichtigung von Arztgemeinschaften oder niedergelassenen Ärzten bei der Ausschreibung von Notarztsystemen.
In der Diskussion wurde insbesondere die Forderung der Referenten nach Synchronisierung von Rettungsdienst-und Krankenhausplanung – etwa durch Festlegung der Notfallversorgungs-kapazitäten im Krankenhausstrukturplan – unterstützt. Man war sich einig darüber, dass die Auswirkungen des Rettungsdienstes auf die Kosten im Gesundheitssystem eher unterschätzt werden. Durch ambulante rettungsdienstliche Versorgung können unnötige Krankenhaus-aufenthalte vermieden und damit erhebliche Kosten im Gesundheitswesen eingespart werden. Hierzu bedarf es jedoch sowohl einer Verzahnung des notärztlichen Dienstes mit Leistungen des kassenärztlichen Bereitschaftsdienst unter einheitlicher Koordination durch eine integrierte Leitstelle wie des Aufbaus von Netzwerkkonzepten mit enger Verbindung zwischen präklinischer und innerklinischer Behandlung und einem differenzierten Verlegungskonzept, das einerseits die Möglichkeiten hoch spezialisierter Zentren nutzt und andererseits eine heimatnahe Patientenversorgung ermöglicht.
Kritisch angemerkt wurde in der Diskussionsrunde, dass eine Umsetzung der auf dieser Fachtagung in Leinsweiler vorgestellten konstruktiven Vorschläge durch die Kostenträger nicht in allen Bundesländern erwartet werden dürfe: Kostensätze und Umfang rettungsdienstlicher Leistungen, die in einem Bundesland am unteren Rand des Spektrums liegen, werden im anderen Bundesland als völlig überzogen abgelehnt. Nur durch offene, sachorientierte, Rettungsdienstträger, Leistungserbringer und Krankenkassen gleichermaßen einbeziehende Planung rettungsdienstlicher Strukturen und Abläufe auf dem Boden belastbarer Daten lassen sich Optimierungspotenziale zur wirtschaftlichen Gestaltung der präklinischen Patientenversorgung bestmöglich ausschöpfen.
Korrespondenzadresse:
Dr. T. Schlechtriemen
Rettungsdienst Saarland,
Rettungszweckverband Saar
Saarpfalz-Park 9,
66450 BexbachE-Mail: schlechtriemen@rzv-saar.de
Die Leinsweiler Gespräche 2007 sind die 12. berufspolitische Tagung der Arbeitsgemeinschaft Südwestdeutscher Notärzte (agswn e.V.) in Zusammenarbeit mit dem Institut für Notfallmedizin und Medizinmanagement (INM) des Klinikums der Universität München, dem Institut für Notfallmedizin (IfN) der LBK Hamburg GmbH, der Bundesvereinigung der Arbeitsgemeinschaften der Notärzte Deutschlands (BAND e.V.) und dem Länder-Ausschuss Rettungswesen. Die Leinsweiler Gespräche finden im jährlichen Rhythmus statt und widmen sich zentralen Themen der Notfallmedizin und des Rettungsdienstes.