Zum Tod von Dr. Dieter Stratmann (11.04.1944 –15.02.2020)
Dieter Stratmann wurde in Münster (Westf.) geboren. Nach einer Lehre zum Bankkaufmann und erneutem Schulbesuch absolvierte er 1966 das Abitur und studierte in der Folge zunächst Jura, später Medizin an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Hier legte er 1975 das Medizinische Staatsexamen ab und erhielt –wie damals üblich –nach seiner Tätigkeit als Medizinalassistent amMarienhospital Erwitte dieÄrztliche Approbation im September 1976.
Nach Weiterbildung zum Anästhesisten am Klinikum Minden kehrte er von 1981 bis 1984 zunächst als Leitender Arzt der Abteilung für Anästhesie und Intensivtherapie an das Marienhospital Erwitte zurück, bevor er am 1.1.1985 die Position eines Chefarztes amInstitut für Anästhesiologie im Klinikum Minden übernahm und bis zum 31.12.2008 behielt.
Das Interesse an der Notfallmedizin erwachte offenbar bereits während des Medizinstudiums, während dessen Dieter Stratmann als „Krankenwagenfahrer“ arbeitete. Noch innerhalb der Medizinalassistentenzeit promovierte er im Januar 1976 an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz über „Die Effektivität der Ausbildung zum Rettungssanitäter“. Betreut wurde die Arbeit vom damaligen Mindener Chefarzt Prof. Dr. Hans Nolte, der zwei Jahre zuvor in Minden eines der erstenNotarzt-Systeme in NRW etabliert hatte und wesentlich an bundesweiten Bestimmungen für die Rettungssanitäterausbildung mitwirkte. Den Namen von Hans Nolte trägt heute die Strasse, an der das 2008 noch zu Dienstzeiten von Dieter Stratmann in Betrieb genommene,neu errichtete Johannes Wesling Klinikum Minden liegt.
In logischer Folge einer solchen beruflichen Prägung übernahm Dieter Stratmann in den Jahren 1976/77 die Ärztliche Leitung des neu eingerichtetenNotarztstandortes Erwitte sowie ab 1980 des Notarztstandortes Minden, später unterbrochen durch die zwischenzeitliche Rückkehr nach Erwitte, wo er erneut die Verantwortung für den Notarztstandort übernahm. Seit 1992 war er Ärztlicher Leiter der Rettungsassistentenschule im Studieninstitut für kommunale Verwaltung Bielefeld.In diesen Funktionen war er maßgeblich am Aufbau und an der Erweiterung der notärztlichen und rettungsdienstlichen Infrastruktur in Ostwestfalen beteiligt.
Bemerkenswert ist die umfangreiche Tätigkeit in überregionalen Gremien, die Dieter Stratmann bereits als junger Arzt aufnahm. Erwar Landesfeuerwehrarzt NRW von 1978-1998 und bereits seit 1979 Mitglied des Landesfachbeirats für den Rettungsdienst beim Gesundheitsministerium desLandesNordrhein-Westfalen. Auf Bundesebene wirkte er für den Deutschen Feuerwehrverband von 1982-1998 im Deutschen Institut für Normung (DIN) sowie auf europäischer Ebene von 1991-1995 im Technical Committee „Rescue Systems“ des Comité Européen deNormalisation (CEN) bei der Formulierung von Anforderungen an Rettungsfahrzeuge und deren Ausstattung mit.
Im Dezember 1983 wurde in Köln die Arbeitgemeinschaft der Notärzte in Nordrhein-Westfalen AGNNWe.V.gegründet. Der Gründungsvorsitzende war Prof. Gustav Heinz Engelhardt (1930-2012) aus Wuppertal, einer der Wegbereiter des Kölner Notarztdienstes in den frühen 60er Jahren. Dieter Stratmann war mit nicht einmal 40 Jahren einer der beiden stellvertretenden Vorsitzenden im Gründungsvorstand der AGNNW und löste 1988 Heinz Engelhardt als Vorsitzenden ab. Im Mai 1984 war er im Verbund der damals bestehenden fünf Länder-Arbeitsgemeinschaften Gründungsmitglied der BAND, deren Vorsitz er ebenfalls 1988 zum ersten Mal übernahm. Die BAND, seit1998 als eingetragener Verein, repräsentiert heute 12 regionale Notarzt-Arbeitsgemeinschaften mit über 11.000 Mitgliedern.
Als Vertreter der BAND war Dieter Stratmann seit 1990 Mitglied im Deutschen Beirat für Erste Hilfe und Wiederbelebung bei der Bundesärztekammer und von 1993-2002 in der Sektion Rettungswesen der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv-und Notfallmedizin (DIVI). Er war Mitglied im Ausschuss „Notfall-und Katastrophenmedizin“ bei der Bundesärztekammer seit 1991, in der Kommission „Notfallmedizin“ der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) von 1992-2000 sowie im Gründungsvorstand des Wissenschaftlichen Arbeitskreises Notfallmedizin der DGAI von 2000-2002.
In der Zeit zwischen 1985 und 2000 wurden parallel zur gesundheitspolitischen Diskussion um dieZuordnung des Notarztdienstes die Strukturelemente unseres modernen Notarztsystems geprägt.Unter Dieter Stratmanns Leitung standendie bundesweit ersten Fortbildungsseminare für Notärzte in1985 (damals noch A-, B-, C-Kurse genannt), das bundesweiterste Fortbildungsseminar für Leitende Notärzteim Dezember 1988 sowie das bundesweiterste Fortbildungsseminar für Ärztliche Leiter Rettungsdienstim Oktober 1995.
Besonders hervorzuheben ist die Zusammenarbeit mit der Bundesärztekammer in Person von Prof. Dr. Peter Knuth (1946-2012), dem Geschäftsführenden Arzt und Leiter des Weiterbildungsdezernatsder Bundesärztekammer von1986 bis 1997. Peter Knuth wargemeinsam mit Dieter Stratmann und Christoph Biesing (1938-1988) maßgeblich mitbeteiligt an der Erarbeitung der Empfehlungen der Bundesärztekammer und der DIVI zur Fortbildung zum Leitenden Notarztin 1988, welchen das „Wesergespräch der AGNNW“ im September 1987 unter der Federführung von Dieter Stratmann vorausgegangen war, sowie der Forderung der Bundesärztekammer zur Institutionalisierung eines Ärztlichen Leiters Rettungsdienstin 1994.
Dieter Stratmann war bis 2002 im Wechsel Vorsitzender und stellvertretender Vorsitzender der AGNNW und bis 2006 Vorsitzenderder BAND. Beide Verbände haben ihn mit dem Ausscheiden aus offizieller Funktion zum Ehrenvorsitzenden ernannt.Neben zahlreichen anderen Auszeichnungenist er Träger des Verdienstkreuzes am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland sowie des DeutschenFeuerwehrehrenkreuzes in Gold des Deutschen Feuerwehrverbandes (DFV).
Die wesentlichen Schwerpunkte seines jahrzehntelangen Engagements beschriebDieter Stratmann selbst in der Mitwirkung bezüglich der Aufgabenstellungund der Ausbildung der Rettungssanitäter (seit 1978) und der Rettungsassistenten (seit 1988) sowieim Hinblick auf die Institutionalisierung und Fortbildung von Notärzten (seit 1985)‚ Leitenden Notärzten (seit 1988) und Ärztlichen Leitern Rettungsdienst (seit 1995). Dahinter standen seinefortgesetzten Anstrengungen, ärztlichen Sachverstand und ärztliche Kompetenz in gesetzliche Vorschriften, Normen und Empfehlungen qualifizierter Institutionen und Verbände zu integrieren. Ganz besonderes Engagement galtdabei der Institutionalisierung des Leitenden Notarztes und in jüngerer Zeit der Reorganisation der Kooperation von Rettungsdienst und Katastrophenschutz nach den Ereignissen des 11. September 2001. In ungezählten Vorträgen auf wissenschaftlichen Kongressen, Fortbildungsveranstaltungen und Fachtagungen sowie zahlreichen Publikationen verfolgte er diese Ziele beinahe unermüdlich. Dieter Stratmann legte großen Wert auf die Feststellung, dass maßgebliche Verdienste um sein Lebenswerk seiner Ehefrau Jutta zufallen, die ihn bei allen seinen Aufgaben stets unterstützte.
Wir halten fest: Das Notarzt-und Rettungswesen in Deutschland wäre ohne Dieter Stratmann nicht da, wo es heute steht. Als Grundlage seiner erfolgreichen Arbeit finden sich vor allem Fachkompetenz, nachhaltige Sacharbeit, die Fähigkeit zur Netzwerkbildung und ausgeprägte Überzeugungskraft. Dahinter stehen –unverkennbar westfälische Tugenden -Geduld und Ausdauer, Bodenständigkeit und Weitblick. Nicht zuletzt muss als eine Eigenschaft Dieter Stratmanns seine Kollegialität hervorgehoben werden -über vier Jahrzehnte der Ausgangspunkt einer authentischen und verbindlichen Kommunikation über Berufsgrenzen hinweg.