Ausbildungsvermittlung ‚Notkompetenz‘ (RettAssG 1989)
( 18.11.1993)
Stellungnahme der BAND zur Frage der Inhalte der Rettungsassistentenausbildung nach dem RettAssG im Hinblick auf die Maßnahmen im Rahmen der „Notkompetenz“ vom 18. 11. 1993
(NOTARZT 10 (1994) 54)
Da zahlreiche Ärzte, die Mitglieder der Notarzt-Arbeitsgemeinschaften sind, auch in der Ausbildung von Rettungsassistenten nach dem Gesetz über den Beruf der Rettungsassistentin und des Rettungsassistenten (RettAssG v. 10.7.1989) mitwirken, ergab sich aufgrund vieler Anfragen zum Umfang und Inhalt der Ausbildung im Hinblick auf die Vermittlung von Maßnahmen der „Notkompetenz“ die Notwendigkeit zu einer Stellungnahme, die übereinstimmend in der Sitzung der BAND vom 18.11.1993 verabschiedet wurde.
Der Durchführung von Maßnahmen im Rahmen der Notkompetenz durch Rettungsassistentinnen und Rettungsassistenten (RettAss) ist an die in der „Stellungnahme der Bundesärztekammer zur Notkompetenz von Rettungsassistenten und zur Delegation ärztlicher Leistungen im Rettungsdienst“ dargestellten Bedingungen gebunden (siehe III – 3.6.2.1).
In Übereinstimmung mit dieser Stellungnahme erklärt die BAND, dass „die individuelle Beherrschung dieser Maßnahme nicht allein durch das Erreichen des Ausbildungszieles als Rettungsassistent (zu) gewährleisten ist“.
Dies bedeutet, dass die individuelle Beherrschung, also die eigenverantwortliche und sichere Durchführung der in der Stellungnahme der Bundesärztekammer genannten Maßnahmen der Notkompetenz an Notfallpatienten nicht zwingend zum Mindestumfang der „Grundausbildung“ aller Teilnehmer an Lehrgängen nach § 4 RettAssG (1.200 Stunden) im gesamten Bundesgebiet gehört und somit auch nicht Bestandteil der staatlichen Prüfung nach Abschluss des Lehrgangs ist.
Hingegen sind, wie in der Stellungnahme der Bundesärztekammer zur Anlage 1 zur Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Rettungsassistentinnen und Rettungsassistenten (RettAssPrV v. 7.11.1989) festgelegt,
- eingehende Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten
(neben theoretischem Wissen sind manuelle Fertigkeiten zu erwerben) - in der Technik der peripheren Venenpunktion und
- in der Anwendung von halbautomatischen Defibrillatoren, deren Energieabgabe nur nach geräteinterner Erkennung eines defibrillationsfähigen Herzrhythmus möglich ist, sowie
- eingehende Kenntnisse
(neben theoretischem Wissen sind praktische Erfahrungen in der Assistenz bei ärztlichen Maßnahmen zu erwerben) - bei der Intubation
- bei medikamentösen Maßnahmen (Infusionen, Injektionen)
- bei der Elektrotherapie des Herzens (Defibrillation, Herzschrittmacher)
zu vermitteln.
Gegen die zwingende Vermittlung der individuellen Beherrschung von Maßnahmen der Notkompetenz im Rahmen des Lehrgangs und deren dann auch erforderlichen Überprüfung in der staatlichen Prüfung nach §4 RettAssG ausnahmslos im gesamten Bundesgebiet sprechen folgende Gründe:
- Mindestvoraussetzung für die Teilnahme am Lehrgang nach §4 RettAssG sind — neben der gesundheitlichen Eignung — die Vollendung des 19.Lebensjahres und der Hauptschulabschluss (§ 5 RettAssG). Es liegt also u.U. noch keinerlei medizinische Erfahrung vor
- Das Berufsziel des RettAss ist in der Notfallrettung primär auf die Durchführung lebensrettender Maßnahmen bis zur Übernahme der Behandlung durch den Arzt gerichtet. Die Erreichung des Berufszieles kann somit nicht von der Beherrschung von Maßnahmen abhängig gemacht werden, die primär ärztliche Maßnahmen sind und nur unter genau bestimmten, besonderen Voraussetzungen in Ausnahmefällen angewandt werden können
- Zum Zeitpunkt der staatlichen Prüfung nach RettAssG liegt noch keine ausreichende praktische klinische Übungs- sowie keine Einsatzerfahrung vor. Letztere wird u.U. erst im Rahmen der anschließenden praktischen Tätigkeit (1.600 Stunden) nach §7 RettAssG erworben. Ihre erfolgreiche Ableistung ist im Abschlussgespräch (§ 2 RettAssAPrV) noch gesondert zu bewerten. Die Bescheinigung der sicheren Beherrschung der Maßnahmen der Notkompetenz bereits zum Zeitpunkt der staatlichen Prüfung ist somit kaum möglich
- Die individuelle und sichere Beherrschung von Maßnahmen im Rahmen der Notkompetenz zur eigenverantwortlichen Durchführung ist an eine fortlaufende und nachweisbar ärztliche Überprüfung der Qualifikation durch einen weisungsbefugten Ärztlichen Leiter des Rettungsdienstes gebunden, um einem Organisationsverschulden vorzubeugen, wenn aus der Hilfeleistung durch Maßnahmen der Notkompetenz Schäden resultieren
- Für die im Prüfungsausschuss (§ 5 RettAssAPrV) tätigen Ärzte ergeben sich so erhebliche rechtliche Probleme, die Qualifikation incl. der sicheren Beherrschung der Maßnahmen im Rahmen der Notkompetenz zu bescheinigen. Auch praktisch wird eine Überprüfung der erforderlichen manuellen Fertigkeiten (nur an Phantomen?) schwierig sein
- Die Strukturen der Ausbíldung sind bei den verschiedenen Trägern / Organisationen in zeitlicher (z.B. Stufen-Programm) wie inhaltlicher (z.B. Anteil des Arztunterrichts) und organisatorischer (z.B. zentral / dezentral) Hinsicht sehr unterschiedlich. Schon daher kann nicht allen Schulen zwingend vorgeschrieben werden, besondere Maßnahmen zum Bestandteil Ihrer Ausbildung zu machen
Die verantwortliche Vermittlung der sicheren individuellen Beherrschung von Maßnahmen der Notkompetenz soll daher nach Abschluss der erfolgreichen Ausbildung zur Rettungsassistentin / zum Rettungsassistenten unter der Verantwortung des regional zuständigen, weisungsbefugten Ärztlichen Leiters des Rettungsdienstes gezielt (abhängig von den konkreten Rettungsdienststrukturen und —erfordernissen und unter Berücksichtigung der tatsächlichen Qualifikation des RettAss im Einsatz) erfolgen, um die in den Empfehlungen der Bundesärztekammer festgelegten Bedingungen, insbesondere die individuelle und fortlaufende Kontrolle, für beide Seiten zufriedenstellend zu erfüllen.
Dieses Vorgehen würde auch analog der ärztlichen Ausbildung erfolgen, da auch Ärzten nach erfolgreichem Abschluss des Medizinstudiums (Staatsexamen) das selbständige praktische Tätigwerden grundsätzlich noch verwehrt ist. Sie haben diese Berechtigung auch erst nach einer (z.Zt. 18monatigen) Praxiserfahrung (AIP), ggf. noch durch den zusätzlichen Erwerb von Fachkundenachweisen (z.B. „Arzt im Rettungsdienst“) zu erwerben.
Sofern dennoch Schulen für Rettungsassistenten über die Empfehlung der Bundesärztekammer hinaus die sichere individuelle Beherrschung der Maßnahmen der Notkompetenz als Ausbildungsziel integrieren wollen, haben deren Ärztliche Leiter verantwortlich die Einhaltung der in der Stellungnahme der Bundesärztekammer genannten Bedingungen zu gewährleisten und ggf. nachzuweisen.
Dies entbindet die Träger des Rettungsdienstes, in deren Bereich diese Rettungsassistentinnen/-assistenten dann tätig werden, nicht von ihrer Verpflichtung, die Voraussetzungen zur Anwendung der Maßnahmen im Rahmen der Notkompetenz ebenfalls sicherzustellen.