Entwurf für ein BÄK-Curriculum „Leitender Notarzt/Leitende Notärztin“
BAND-Stellungnahme zum Anschreiben AZ 681.040 vom 24.07.2024
Die BAND e.V. begrüßt die Absicht der Bundesärztekammer, das Curriculum „Leitender Notarzt/Leitende Notärztin“ (LNA) zu aktualisieren und damit sowohl die Qualifizierung zur LNA-Funktion an die heutigen Rahmenbedingungen anzupassen als auch die Bedeutung dieser wichtigen ärztlichen Funktion innerhalb einer medizinischen Einsatzleitung zu unterstreichen. Ebenso begrüßen wir die Einbindung der spezialisierten ärztlichen Gremien und Verbände, haben sich doch gerade die Notarztarbeitsgemeinschaften schon bei der initialen Einführung dieser Funktion aktiv eingebracht. Insgesamt muss es uns als Ärzteschaft ein dringendes Anliegen sein, in der medizinischen Führung größerer Einsätze mit ärztlichen Führungskräften präsent zu sein, da wir an vielen Orten derzeit erleben, dass das Rettungsfachpersonal diese Aufgaben allein übernimmt.
Zu „1 Vorbemerkungen und Zielsetzung“
Die LNA-Funktion wird zurecht als ärztliche Führungskraft beschrieben. Dies bezieht sich im Regelfall auf rettungsdienstliche Großschadensfälle, ist aber bspw. als Abschnittsleitung auch im Rahmen eines Einsatzes oberhalb der Katastrophenschwelle denkbar. Da die Regelungen und Einsatzmittel innerhalb des Katastrophenschutzes sich föderal teils erheblich unterscheiden, sollte das Curriculum ggf. für ergänzende Lehrgänge in diesem Themenfeld geöffnet werden.
Die beschriebenen Voraussetzungen zum Erwerb des Curriculums sind grundsätzlich geeignet, allerdings sollten ausdrücklich auch notärztlich erfahrene Fachärztinnen und -ärzte teilnehmen können, da die klinische Leitungsfunktion in der Oberarztrolle aufgrund von deren Verfügbarkeit eine Beschränkung darstellen könnte.
Die Teilnahme von Organisatorischen Leiterinnen und Leitern (OrgL) sollte nicht nur „unbenommen“, sondern ausdrücklich erwünscht sein. Dort, wo es im Kursverlauf sinnvoll ist, sollten OrgL als Referentinnen und Referenten in die aktive Gestaltung eingebunden werden, damit die Arbeitsweise als interprofessionelles Führungsteam vermittelt und ihre Akzeptanz gesteigert werden kann. Allerdings wurde der Aufwand zur Qualifizierung für OrgL in einigen Bundesländern teilweise dramatisch erhöht, so sind bspw. in Schleswig-Holstein inzwischen drei jeweils einwöchige Module erforderlich, um als OrgL bestallt werden zu können. Es erscheint daher nur richtig, dass das vorliegende Curriculum 50 statt bisher 40 Unterrichtseinheiten (UE) umfasst und somit mehr Raum zur Wissensvermittlung gibt. Die Einbindung von OrgL sollte am besten obligat in den Refresher-Modulen erfolgen.
Zu „2.1 Grundstruktur und Voraussetzungen“
Die Anhebung des Kursumfangs auf 50 UE wird ausdrücklich begrüßt. Ebenso erscheint es gleichermaßen sinnvoll wie zeitgemäß, einen Teil der Inhalte mittels Selbststudiums zur Schaffung eines einheitlichen Basiswissens für den Präsenzteil vorzuschalten. Die Lernkontrolle nach dessen Abschluss ist essentiell, allerdings sollte das Wissen auch beim Kursbeginn abgefragt werden, damit sichergestellt werden kann, dass es für den Kurs präsent und als Basis verfügbar ist.
Ein modularer Kursaufbau ist aus unserer Sicht über den Vorbereitungsteil hinaus nicht erforderlich, da die Kurse erfahrungsgemäß als Ganzes besucht und auch vor allem angeboten werden.
Das Refresher-Modul zum Kompetenzerhalt begrüßen wir ausdrücklich. Es sollte interprofessionell als gemeinsame Fortbildung mit den OrgL angeboten werden und einen hohen Praxisanteil beinhalten. Hier sollte eine Öffnung hin zu den in den einzelnen Bundesländern bereits bestehenden Regelungen zur kontinuierlichen Fortbildung erfolgen.
Zu „2.4 Empfehlungen von didaktischen Methoden“
Ebenso wie die Begrenzung des eLearnings sollte auch der Anteil an reinen Frontalvorträgen begrenzt und stattdessen stärker auf aktivierende Lernmethoden gesetzt werden. Inklusive des Vorbereitungsanteils sollte deren Umfang maximal 40% der Kursdauer umfassen.
Der letzte Absatz sollte für den Grundkurs gestrichen werden, da z. B. Projekt- oder Hausarbeiten, Hospitationen, Begehungen oder Supervisionen unter anderem wegen der überwiegend geringen Einsatzfrequenz der LNA unrealistisch erscheinen. Mittel wie Supervisionen könnten perspektivisch eher zur Qualitätssicherung im Sinne eines Peer Review für bestallte LNA bzw. LNA-Gruppen eingesetzt werden.
Zu „2.5 Rahmenbedingungen für Lernszenarien“
Um den Präsenzteil des Kurses bspw. in vier aufeinanderfolgenden Tagen anbieten zu können, unterstützen wir es, das Vorbereitungsmodul auf 10 UE zu begrenzen. Allerdings besteht ein Widerspruch zu der unter 3 aufgeführten Tabelle, in der der Vorbereitung 8 UE gewidmet sind.
Eine Begrenzung des gesamten Kurses auf eine Teilnehmerzahl von 24 kann es für die Kursanbieter angesichts des insgesamt hohen Aufwands erschweren, die Kurse wirtschaftlich und zu einem bundesweit einheitlichen Preisniveau anzubieten. Für die mittels Frontalunterrichts vorgetragenen Inhalte, erscheint diese Grenze nicht unbedingt erforderlich. Es sollten vielmehr, analog zum Musterkursbuch Notfallmedizin, für die anderen Unterrichtsarten maximale Teilnehmerzahlen vorgegeben werden, damit hier möglichst umfangreich aktivierendes Lernen erfolgen kann. Abhängig von Größe und Methode des Planspiels, sollte durch eine Festlegung einer maximalen Teilnehmerzahl erreicht werden, dass alle Teilnehmenden aktiv in Übungen und Diskussion eingebunden werden. Hier erscheint eine Teilnehmerbegrenzung auf 6 für Planspiele und 12 pro Instruierendem für Gruppenarbeiten als sinnvolle Diskussionsgrundlage.
Zu „2.11 Lernerfolgskontrolle“
Eine abschließende Erfolgskontrolle in Form eines Kolloquiums erscheint angesichts des notwendigen Aufwands, wenn der Lernerfolg aller Teilnehmenden bewertet werden soll, schwierig. Wie bei den meisten curricularen Kursen bspw. zur Reanimation oder Schwerverletztenversorgung, sollte am Ende des Kurses ein kurzer Multiple Choice-Test erfolgen.
Zu „2.13 Fortbildungspunkte“
Da die Inhalte dieses Kurses sowie der dazugehörigen Refresher auch geeignet sind, Notärztinnen und Notärzte für die allgemeine Tätigkeit im Notarztdienst fortzubilden, sollten die Fortbildungspunkte auch auf die erfreulicherweise in einigen Kammerbereichen erforderlichen Punkte zur Notarztfortbildung angerechnet werden können.
Zu „4 Inhalte und Struktur“
Der Begriff der Module sollte aus unserer Sicht entfallen. Vielmehr sollten damit die einzelnen inhaltlichen Schwerpunkte benannt werden. Die zugeordneten Zeiten erscheinen teilweise unrealistisch. Für die Module III und IV erscheint die Zeit zu knapp, während Modul V angesichts der übrigen Gewichtung kürzer gefasst werden könnte.
Zu „4.1 Vorbereitungsmodul – Basiswissen und Theorie“
Da die Dienstvorschrift 100 nicht allein auf die Feuerwehren, sondern auch auf andere Teile der Gefahrenabwehr anzuwenden ist, sollte im Spiegelstrich „Kenntnisse der Feuerwehrdienstvorschrift 100 (FwDV 100)“ nur „Kenntnisse der Dienstvorschrift 100 (DV 100)“ stehen.
Zu „4.2 Modul I – Merkmale von Großschadensereignissen“
Neben MANV und MANE sollten auch größere Notfallereignisse genannt werden, da der LNA als Teil der Einsatzleitung Rettungsdienst bereits indiziert ist, wenn mehrere schwer verletzte oder erkrankte Patienten an einer Einsatzstelle sind. Des Weiteren sollten Betreuungslagen aufgenommen werden da LNA und OrgL häufig bspw. bei Brandereignissen in Wohneinrichtungen oder Evakuierungsmaßnahmen im Rahmen der Kampfmittelbeseitigung zum Einsatz kommen, in deren Folge die Unterbringung Betroffener notwendig sein kann.
Der Spiegelstrich „Luftfahrzeuge“ sollte in „Unfälle mit Luftfahrzeugen“ umbenannt werden. Der Spiegelstrich „Strohm- und Infrastrukturausfall“, sollte in „Strom- und Infrastrukturausfall, kritische Infrastrukturen“ umbenannt werden.
Zu „4.7 Modul VI – Übung“
Eine Realübung ist nicht erst in Zeiten knapper Ressourcen mit einem erheblichen Aufwand für den Kursveranstalter und die übenden, meist ehrenamtlichen Einheiten verbunden. Dieser steht selbst bei einer maximalen Teilnehmerzahl von 24 in keinem sinnvollen Verhältnis zu einem möglichen Lernerfolg, da stets nur ein kleiner Anteil Teilnehmender, in den für den LNA relevanten Funktionen in die Übung eingebunden werden kann. Anstelle der Realübung sollten vielmehr Planspiele oder Simulationen wie bspw. die dynamische Patientensimulation in den Kursverlauf integriert werden.
Zu „4.8 Refresher-Modul – Aktualisierung, Vertiefung, Ergänzung“
Wie oben bereits erwähnt, sollte das Refresher-Modul für landesspezifische Regelungen geöffnet und möglichst obligat interprofessionell ausgerichtet werden. Inhalt und Umfang müssen an diese Regelungen angepasst werden und nur für Regionen, in denen keine oder geringere anderweitige spezifische Regelungen bestehen, sollte die hier gemachte Regelung gelten, um der kontinuierlichen Fortbildungspflicht zu entsprechen. Inhaltlich sollte vor allem die Zusammenarbeit mit dem OrgL und anderen Führungskräften sowie CRM und die Kommunikation, einschließlich der praktischen Handhabung der Kommunikationsmittel beübt werden.