Fundierte Grundausbildung und kontinuierlicher Kompetenzerhalt für Notärztinnen und Notärzte
BAND-Memorandum an die Bundesärztekammer zum Deutschen Ärztetag 2025
Durch die Weiterentwicklung des Berufsbildes Notfallsanitäter sowie durch die bevorstehende flächendeckende Implementierung von telenotärztlichen Konzepten wird der Rettungsdienst insgesamt strukturell gestärkt und auf die zu antizipierenden demografischen Veränderungen eingestellt. Die notärztliche Expertise für Teamführung, Entscheidungsfindung und notwendige therapeutische Maßnahmen in komplexen Notfallsituationen muss dabei weiterhin gewährleistet sein. Es ist daher unsere Aufgabe, Qualifizierung und Kompetenzerhalt der Notärzte den wachsenden Anforderungen anzupassen.
Notärztinnen und Notärzte werden künftig vor allem dann zum Einsatz kommen, wenn Patientinnen und Patienten in lebensbedrohlichen Lagen oder von schweren Folgeschäden bedroht sind und das Rettungsfachpersonal an seine Kompetenzgrenzen kommt. Neben dem Einsatz am Boden werden Luftrettung und Telenotfallmedizin eine zunehmende Rolle spielen. Zusätzlich zur in der Klinik gesammelten Erfahrung im Umgang mit Notfallsituationen muss die notärztliche Qualifizierung auch in rettungsdienstlichen Szenarien erfolgen. Um das sicherzustellen, sollte die notärztliche Grundausbildung im Einsatz angepasst werden. Dafür bieten die Beschlüsse aus dem 128. Deutschen Ärztetag[i] zur Weiterentwicklung der Musterweiterbildungsordnung eine Gelegenheit, die genutzt werden muss, um die ärztliche Mitwirkung im Rettungsdienst und der prähospitalen Notfallmedizin voranzubringen und zu festigen. Wir bekräftigen daher unser vor dem Ärztetag fomuliertes Statement[ii] im Folgenden noch einmal.
Grundqualifizierung
Die Zusatzweiterbildung Notfallmedizin ist unserer Ansicht nach in der Kategorie C2 der geplanten neuen Weiterbildungsystematik richtig untergebracht, da sie als Querschnittsfach Weiterbildungsabschnitte in unterschiedlichen Bereichen umfasst und in der Regel berufsbegleitend erfolgt. Die Nutzung eines eLogbuchs und der Abschluss durch eine Prüfung müssen beibehalten werden.
Die Aufgabe eines Weiterbildungsbefugten birgt die Chance, die angehenden Notärztinnen und Notärzte zielgerichtet zu unterstützen und einschätzen zu können. Dafür müssen die Weiterbildungsbefugten aber unbedingt nah an den Weiterzubildenden sowie vertraut mit den rettungsdienstlichen Abläufen und Anforderungen sein. Es bietet sich daher an, diese Rolle den Ärztinnen und Ärzten zu übertragen, die in den Kliniken für die Notfallmedizin verantwortlich bzw. als Ärztliche Stützpunktleiter von Notarztstandorten beauftragt sind. Ebenso kommen Ärztliche Leitungen des Rettungsdienstes als Weiterbildungsbefugte in Frage, sofern sie die Gelegenheit haben, die Weiterbildungsteilnehmenden im Notarzteinsatz zu erleben.
Notärztinnen und Notärzte sind in prähospitalen Notfallsituationen bei ärztlichen Aufgaben, insbesondere bei hochinvasiven Maßnahmen, auf sich allein gestellt und müssen besondere Herausforderungen in komplexen Lagen meistern. Auch eine Notarzt-Oberarztfunktion, die es inzwischen in zahlreichen Großstädten gibt, ist – anders als in der Klinik – in der Regel nicht oder nicht zeitnah zur Unterstützung des Notarztes an der Einsatzstelle verfügbar. Es ist daher erforderlich, die klinische Weiterbildungsdauer vor Erwerb der Bezeichnung auf mindestens 30 Monate zu verlängern. Klinische Arbeitsbereiche, in denen lebensrettende Maßnahmen sowie der Umgang mit kritisch Kranken erlernt werden können, müssen obligat in die Weiterbildung integriert werden. Wir fordern daher, dass sechs Monate Weiterbildungszeit in der Intensivmedizin unabhängig von der übrigen Facharztausbildung und zusätzlich sechs Monate in der Anästhesiologie oder einer interdisziplinären Notfallaufnahme erbracht werden. Denkbar ist auch, dass innerhalb der Weiterbildung alle diese Bereiche durchlaufen werden sollen. Diese Veränderung der Weiterbildungszeiten erlaubt es, eine höhere Handlungskompetenz an der Einsatzstelle sicherzustellen und damit einen Beitrag zu Patienten- und Mitarbeitersicherheit zu leisten. Da einer Untersuchung[iii] zufolge der Besuch der Kursweiterbildung im Mittel erst nach 3,7 ± 4,3 Jahren klinischer Weiterbildung erfolgt, sollte eine Verlängerung der Weiterbildung die Nachwuchsgewinnung nicht erschweren.
Mit Blick auf die Verantwortung von Notärztinnen und Notärzten an der Einsatzstelle sollten curriculare Kurse in Erwachsenenreanimation, Kindernotfall- und Schwerverletztenversorgung in die Weiterbildung aufgenommen werden. Alternativ muss das Musterkursbuch für die allgemeine und spezielle Notfallmedizin und der darin beschriebene sogenannte Notarztkurs um die Inhalte der vorgenannten Kurse ergänzt und über 80 Stunden erweitert werden. Zudem sollte ein einheitlicher eLearning-Anteil zu den rechtlichen und organisatorischen Grundlagen dem Kurs vorangestellt werden.
Die Mindestanforderungen an den Erwerb der Zusatzbezeichnung sollten ferner dahingehend präzisiert werden, dass das Einsatzpraktikum im öffentlichen Rettungsdienst nur noch in Begleitung eines Arztes oder einer Ärztin mit der Zusatzbezeichnung Notfallmedizin erfolgen kann. Der Besuch eines anerkannten, standardisierten Simulationskurses über 25 Einsatzszenarien sollte nicht nur fakultativ, sondern obligat in die Weiterbildung integriert werden.
Inhaltlich sollte die Musterweiterbildungsordnung um Kenntnisse in den folgenden Bereichen erweitert werden:
- Durchführung und Bewertung einer Notfallsonographie nach den einschlägigen Algorithmen
- Indikationen und Durchführung einer arteriellen Blutdruckmessung
- Sicherung der Atemwege durch Anlage eines chirurgischen Atemwegs (Notfallkoniotomie) in der Simulation
- Weiterbehandlung in Palliativsituationen, differenzierte Indikationsstellung zur Weiterbehandlung und zu Behandlungsorten
- Umgang mit Sterbewünschen, Umgang mit assistiertem Suizid
Kompetenzerhalt
Zahlreiche notärztliche Maßnahmen kommen in Rettungs- und Notarztdienst zu selten vor, so dass ein sicherer Kompetenzerhalt durch die Notarzttätigkeit allein nicht gewährleistet werden kann. Zudem entwickeln sich Rettungs- und Notfallmedizin kontinuierlich weiter. Es ist aus Sicht der BAND daher unabdingbar, dass bundesweit eine notärztliche Fortbildungspflicht eingeführt und vereinheitlicht wird, wie sie erfreulicherweise in einigen Kammerbereichen bereits vorgesehen ist. Wir unterstreichen daher noch einmal unsere Forderung[iv] nach einer generellen Fortbildungspflicht für Notärztinnen und Notärzte. Dazu sollte die Bundesärztekammer eine Empfehlung herausgeben, welcher Fortbildungsumfang erforderlich ist und welche Stelle die Zertifizierung vornehmen sollte. Da die Notfallmedizin wie wenige andere Bereiche der Medizin von der interprofessionellen Teamarbeit profitiert, sollten die wiederkehrenden Fortbildungen zu einem relevanten Anteil interprofessionell ausgelegt sein.
Telenotfallmedizin
Die BAND begrüßt ausdrücklich, dass die Bundesärztekammer kürzlich ein eigenes Curriculum für die Tätigkeit in der Telenotfallmedizin[v] herausgegeben hat. Da ein großes Potential der Telenotfallmedizin in der Abklärung und Begleitung von Interhospitaltransporten liegt und diese mit der fortschreitenden Krankenhausreform einen wachsenden Anteil einnehmen werden, sollte eine entsprechende Qualifikation und Erfahrung im Interhospitaltransport mit in die Qualifikationsanforderungen für die Telenotärztinnen und -notärzte aufgenommen werden.
Zusammenarbeit
Grundsätzlich begrüßt die BAND das Engagement der Bundesärztekammer im Bereich der notfallmedizinischen Qualifizierungen. Dies unterstreicht die Bedeutung, die das ärztliche Engagement in diesem für Notfallversorgung und Patientensteuerung so wichtigen Teil der Medizin hat. Im Sinne der Sache und der bestmöglichen Konzepte für die jeweiligen Bereiche schlagen wir jedoch vor, die notfallmedizinischen und notärztlichen Fachgesellschaften und Gremien von vornherein in der Entwicklung der Konzepte und Empfehlungen einzubeziehen. Die BAND steht jederzeit gerne dafür bereit.
Berlin, 25.03.2025
[i] Bundesärztekammer. 128. Deutscher Ärztetag
Beschlussprotokoll. 10.05.2025. Im Internet (aufgerufen am 04.02.2025): https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/BAEK/Aerztetag/128.DAET/2024-05-10_Beschlussprotokoll_neu.pdf
[ii] BAND. Impulse der BAND zur Verbesserung des Notarztwesens. 06.05.2024. Im Internet (aufgerufen am 04.02.2025): https://band-online.de/wp-content/uploads/2024/05/240506_BAND-Statement-zum-128.-Deutschen-Aerztetag.pdf
[iii] Reifferscheid, F., Harding, U. & Wirtz, S. Notarztweiterbildung – Befragung von Kursteilnehmern zu Weiterbildungsbedingungen und Motivation. Med Klin Intensivmed Notfmed 116, 36–40 (2021). https://doi.org/10.1007/s00063-019-00624-8
[iv] BAND. Einführung einer bundesweiten Fortbildungspflicht für Notärzt-
innen und Notärzte und kammerübergreifende Anerkennung ent-
sprechend zertifizierter Fortbildungen. 24.11.2023. Im Internet (aufgerufen am 04.02.2025): https://band-online.de/wp-content/uploads/2023/11/231124_BAND-Statement_n-Zertifizierung.pdf
[v] Bundesärztekammer. BÄK-Curriculum Telenotarzt/Telenotärztin. 19.10.2023. Im Internet (aufgerufen am 04.02.2025): https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/BAEK/Themen/Aus-Fort-Weiterbildung/Fortbildung/BAEK-Curricula/BAEK-Curriculum_Telenotarzt_Telenotaerztin_2023.pdf