Qualifikation des Notarztes (1984)
Schon bald nach Einrichtung von Notarztsystemen wurde erkannt, dass einerseits wegen der besonderen Bedingungen im Rettungsdienst sowie des zeitkritischen Versorgungszwangs und andererseits wegen des weiten interdisziplinären Notfallspektrums die Approbation als Arzt allein zur Qualifikation als – in der Regel allein tätiger – Notarzt nicht ausreicht.
Frühzeitig wurden daher auf zunächst lokaler Ebene Fortbildungen zu speziellen rettungsdienstlichen Themen durchgeführt. Die ab Anfang der 80er-Jahre gegründeten Notarztarbeitsgemeinschaften benannten alle die Notarzt-Fortbildung als ihre vorrangige Aufgabe, nicht nur bei ihren Jahrestagungen, sondern auch im Rahmen gesondert – häufig gemeinsam mit den Fortbildungsakademien der Ärztekammern – angebotener Fortbildungsseminare zur Qualifikation des Notarztes.
Diese, z. B. über drei Wochenenden mit einem Gesamtumfang von 60 — 80 Stunden durchgeführten Seminare mit interdisziplinären Referaten, Fallbeispielbesprechungen, Übungen und Praktika stellten jedoch nur einen Teilbereich des Qualifikationsspektrums dar, das zu ergänzen war durch den Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen und ein Einsatzpraktikum unter Anleitung eines erfahrenen Notarztes.
Nachdem auch einige für den Rettungsdienst zuständige Länderministerien begannen, Kriterien für die Notarztqualifikation zu benennen, empfahl die Bundesärztekammer (BÄK) am 16. 9. 1983 den Landesärztekammern, ab 1984 einen ‚Fachkundenachweis ‚Rettungsdienst‘‘ einzuführen, der erteilt werden sollte, wenn
- eine mindestens einjährige klinische Tätigkeit mit dem Erwerb grundlegender Kenntnisse und praktischer Erfahrungen in der Intensivtherapie vital bedrohlicher Zustände sowie der Aufrechterhaltung und Wiederherstellung bedrohter Vitalfunktionen mit den spezifischen Methoden der Notfallmedizin vorlag
- die Teilnahme an einem interdisziplinären Kurs über allgemeine und spezielle Notfallbehandlung bescheinigt und
- ein Einsatzpraktikum unter Anleitung mit mindestens 5 Einsätzen mit lebensrettenden Maßnahmen absolviert wurde.
In den folgenden Jahren wurde diese Empfehlung grundsätzlich von allen Landesärztekammern umgesetzt, allerdings in Umfang und Inhalt mit – wenn auch zumeist nur geringfügigen – Unterschieden, die bei einem Arbeitsplatzwechsel in andere Kammerbereiche gelegentlich zu Problemen bei der Anerkennung führten.
Aus diesem Grunde und zur Diskussion und Auswertung der bisher gewonnenen Erfahrungen in der Umsetzung der Empfehlungen der BÄK von 1984 fand auf Initiative der Ärztekammer Westfalen-Lippe und im Auftrag der Bundesärztekammer in Münster erstmals eine ‚Bundeskonsensuskonferenz‘ aller Landesärztekammern in 2 Sitzungen (Nov. 1993/September 1994) statt mit der Vorgabe, ggf. geänderte, möglichst aber bundeseinheitliche Vorgaben zur Qualifikation des Notarztes zu erarbeiten.
Dieses Ziel konnte erreicht werden und der Vorstand der Bundesärztekammer verabschiedete am 9. 12. 1994 neue ‚Richtlinien zum Erwerb des Fachkundenachweises Rettungsdienst‘ und ein ‚Curriculum zu den interdisziplinären Kursen über allgemeine und spezielle Notfallbehandlung‘. Veröffentlicht sind die Texte im ‚Kursbuch Rettungsdienst‘, herausgegeben von der Bundesärztekammer im Band 4 der ‚Texte und Materialien der Bundesärztekammer zur Fortbildung und Weiterbildung‘ (siehe auch 3.2.2.1).
Kaum fünf Jahre später wurde, wiederum auf Initiative der Ärztekammer Westfalen-Lippe, in Münster am 16. 11. 1998 die zweite ‚Bundeskonsensuskonferenz‘ durchgeführt, da sowohl die BAND und die DIVI eine Anhebung des Qualifikationsniveaus im Sinn einer ‚Zusatzbezeichnung‘ mit insbesondere verlängerter klinischer Erfahrung (Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen) anstrebten und einige Landesärztekammern diese Änderung auch bereits umsetzen wollten. Um aber weiterhin bundeseinheitliche Regelungen zu erhalten, wurde daher diese 2. Bundeskonsensuskonferenz initiert. Das Ergebnis ist unter 3.2.2.2 dargestellt.
Die Umsetzung durch die Bundesärztekammer beim folgenden Deutschen Ärztetag, insbesondere auch im Hinblick auf die formale Einordnung in die Weiterbildungsordnung (Zusatzbezeichnung/Fachkunde ?) konnte noch nicht erfolgen, da die gesamte Weiterbildungssystematik derzeit überarbeitet wird und erst nach Abschluss der Grundsatzdiskussion dann einzelne Qualifikationsbereiche zugeordnet werden sollen.
In Übereinstimmung mit der BAND und der DIVI sehen auch die Bundesärztekammer und die Landesärztekammern derzeit keinen Bedarf, in Deutschland einen ‚Facharzt für Notfallmedizin‘ zu etablieren.