Positionspapier zur zukünftigen Regelkompetenz des Rettungsassistenten der BAND e.V. (6. Juli 2002)
( 6. Juli 2002)
Im Rahmen der auch grundsätzlich von der BAND unterstützten Bemühungen zur Novellierung des RettAssG ist es – neben vielen anderen Aspekten – auch erforderlich, die zukünftigen ‚Regel-Kompetenzen‘ des Rettungsassistenten neu zu definieren. Hierzu hat die BAND, auch nach ausführlicher Diskussion bei den 7. Leinsweiler Gesprächen am 5./6. Juli 2002 das nachfolgende Positionspapier erstellt.
Grundsätzlich unterstützt die BAND als Vertretung der in Deutschland tätigen Notärzte alle Bemühungen, die zu einer adäquaten Qualifikation der Notärzte wie des Rettungsdienstfachpersonals führen. Ein aufwendiges Rettungssystem ist nur dann von adäquatem Nutzen, wenn es von einer hohen Qualifikation des Personals getragen wird.
Rettungsassistentinnen und Rettungsassistenten als Partner des Notarztes in der Notfallrettung – gelegentlich aber auch zumindest vorübergehend auf sich allein gestellt – bedürfen einer effizienten Aus- und Fortbildung.
Bisherige Bemühungen zur Novellierung des RettAssG
Bereits 7 Jahre nach der Verabschiedung des Rettungsassistentengesetzes (RettAssG v. 10. 7. 1989) wurde in dem am 18.10. 1996 auf Schloss Reisensburg erstellten ‚Reisensburger Memorandum‘ festgestellt, dass Dauer und Struktur dieser Ausbildung nicht den rettungsdienstlichen Erfordernissen entsprechen und – neben zahlreichen weiteren Anregungen – die Forderung nach einer zukünftig dreijährigen Ausbildung erhoben (Notarzt 13 (1997) A 11).
Dr. D. Stratmann, Vorsitzender der BAND e.V., Klinikum Minden, Friedrichstr. 17, 32427 Minden Tel: 0571-8012500
Die 1999 geplante ‚Gesundheitsstrukturreform‘ nahm die BAND erneut zum Anlass, eine Novellierung des RettAssG im Sinne des Reisensburger Memorandums gegenüber dem Bundesgesetzgeber zu fordern (Notarzt 14 (1999) A 65).
Die BAND erwartet, dass nun endlich eine Novellierung des RettAssG in Angriff genommen wird, zumal erneut alle rettungsdienstlich und notfallmedizinisch relevanten Institutionen, Gesellschaften und Verbände anlässlich des ANR-Workshops auf der Reisenburg vom 11. – 14. 12. 2001 übereinstimmende Vorstellungen zur zukünftigen Grundstruktur des Gesetzes entwickelt haben.
EinZiel der Verlängerung der Ausbildung auf 3 Jahre (in Analogie zu anderen medizinischen Assistenzberufen) ist, eine Steigerung der medizinischen Qualifikation zu erreichen. Die Verlängerung und Intensivierung der Ausbildung soll auch eine Erweiterung der Handlungskompetenz des Rettungsassistenten in Ausübung des Berufes gewährleisten, insbesondere auch für den Zeitraum bis zum Eintreffen des Notarztes.
Zur bisherigen ‚Notkompetenz‘ und zur zukünftigen ‚Regelkompetenz‘ des Rettungsassistenten
Bisher und auch zukünftig wird besonders die adäquate Versorgung von Notfallpatienten eine gemeinsame Aufgabe von Notärzten und nicht-ärztlichem Rettungsdienstpersonal sein, ohne daß garantiert werden kann, dass immer jeder Notfallpatient zeitlich adäquat direkt durch einen Notarzt erstversorgt wird.
Daher hat die Frage, ob und wann Rettungsassistenten befugt sein könnten, ärztliche Maßnahmen bereits vor Eintreffen des Notarztes anzuwenden, frühzeitig nach Erlass des RettAssG zu kontroversen, oft mehr emotionalen als sachlichen Diskussionen geführt und schließlich den Vorstand der Bundesärztekammer (BÄK) am 16. 10. 1992 veranlasst, seine ‚Stellungnahme zur Notkompetenz von Rettungsassistenten und zur Delegation ärztlicher Leistungen im Rettungsdienst‘ zu veröffentlichen (MedR 11 (1993) 42).
Auch die BAND hat in diesem Zusammenhang erklärt, dass aus im einzelnen dargelegten Gründen nach ihrer Auffassung die individuelle sichere Beherrschung der in der Stellungnahme der BÄK genannten Maßnahmen nicht allein durch die zweijährige Ausbildung zu gewährleisten sei (Notarzt 10 (1994) 54).
Mit der jetzt angestrebten Erweiterung der Ausbildung auf drei Jahre stellt sich die Frage der Integration von Maßnahmen der bisherigen ‚Notkompetenz‘ und ggf. weiterer Befähigungen neu, im Sinne der Vermittlung von ‚erweiterter Kompetenz‘ als neuer Teil einer ‚Regelkompetenz‘.
Grundsätzlich soll auch zukünftig der Rettungsassistent – analog der Regelungen zu anderen Heilhilfsberufen – Helfer des Arztes sein. Allerdings erhält er die Befugnis, im Einsatz die Maßnahmen der ‚erweiterten Kompetenz‘ bis zur Übernahme der Behandlung durch den Arzt durchzuführen. Der Anspruch des Notfallpatienten auf ärztliche Behandlung bleibt davon unberührt.
Die Durchführung ärztlicher Maßnahmen durch Rettungsassistenten bedarf sowohl in der Aus- und Fortbildung wie in der Anwendung ärztlicher Weisungsberechtigung und Fachaufsicht.
Voraussetzungen für eine ‚erweiterte Kompetenz‘ in Aus-/Fortbildung und Anwendung sind daher:
- eindeutige rechtliche Rahmenbedingungen zur Aufgabe und Stellung des Rettungsassistenten und
- eine Sicherung der erforderlichen Qualifikation in Aus-/Fortbildung und Anwendung durch ein umfassendes ärztlich geleitetes Qualitätsmanagement.
Inhalte einer zukünftigen ‚Regelkompetenz‘ (‚Grund-‘ und ‚Erweiterte Kompetenz‘)
Der Rettungsassistent soll diejenigen Maßnahmen am Patienten durchführen, die erforderlich sind, um einer vitalen Bedrohung wirkungsvoll zu begegnen, gesundheitliche Folgeschäden zu vermeiden und Schmerzen zu lindern.
Dem Rettungsassistenten ist eine nicht auf den Einzelfall beschränkte Regelkompetenz im medizinischen Bereich zuzugestehen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen ‚Grundkompetenz‘ und ‚Erweiterter Kompetenz‘:
1. Grundkompetenz
- Diagnostik der vitalen Funktionen und Basisuntersuchung
- lebensrettende Sofortmaßnahmen
- Immobilisationen, pflegerische und betreuerische Maßnahmen
- Patiententransport (Vorbereitung und Durchführung)
2. Erweiterte Kompetenz (mit gesonderte Dokumentationspflicht)
- Feststellung einer Arbeitsdiagnose bei Notfallpatienten
- EKG-Ableitung mit Basisinterpretation
- erweiterte Reanimation mit Defibrillation und Medikation
- Intubation in ausgewählten Situationen
- Legen eines periphervenösen Zuganges
- Infusion von Elektrolytlösungen
- Applikation ausgewählter Medikamente 1)
1) Nach Meinung der BAND gehören derzeit zu den Notfallmedikamenten, die im Rahmen der erweiterten Kompetenz unter den u. g. Bedingungen durch Rettungsassistenten appliziert werden können: Adrenalin, Glukose 40%, ß2-Sympathomimetikum als Spray, Nitrat-Spray/-Kps.,
Benzodiazepin als Rectiole (Diazepam-Rectiole) und ein Analgetikum.
Ihr Einsatz und der von Elektrolytlösungen könnte bei folgenden Indikationen erfolgen:
- Reanimation und Adrenalin
- Anaphylaktischer Schock
- Hypoglykämischer Schock Glukose 40%
- Obstruktive Atemwegszustände ß2-Sympathomimetikum als Spray
- Krampfanfall Benzodiazepin als Rectiole
- Akutes Koronarsyndrom Nitrat-Spray/-Kps.
- Verletzungen und ausgewählte Schmerzsymptome Analgetikum
- Volumenmangelschock Infusion von Elektrolytlösung
Die zukünftige Ausbildung in der ‚Regelkompetenz‘ nach RettAssG
Für die Ausbildung sind generell folgende Voraussetzungen zu erfüllen:
- Eingangsvoraussetzungen für die Ausbildung
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- Schulabschluss mit mittlerer Reife (Realschulabschluss oder gleichwertiger Schulabschluß) oder abgeschlossene Lehre
- Mindestalter bei Ausbildungsbeginn vollendetes 17. Lebensjahr Ausbildungsumfang
- 3-jährige Vollausbildung in alternierenden Systemen (Wechsel von theoretischen und praktischen Ausbildungsabschnitten)
- modularer Aufbau der Ausbildung, auch unter Einbeziehung einer primär erfolgreich abgeschlossenen Rettungssanitäter-Ausbildung
- Einheitliches verbindliches Curriculum 2)
- Festlegung der theoretischen und praktischer Unterrichtsanteile sowie der ärztlich zu vermittelnden Themenbereiche
- Zwischenprüfungen nach jedem Modul
- Abschlussprüfung am Ende der 3-jährigen Ausbildung
- die Maßnahmen der ‚erweiterten Kompetenz‘ sind zwingender Prüfungsbestandteil. Ohne gerade diese Maßnahmen zu beherrschen, kann das Ausbildungsziel nicht erreicht werden
2) Für das novellierte RettAssG/die RettAssAPrV sollte ein einheitliches Curriculum (incl. Lernzielkatalog/Lehrkonzept) erstellt und insbesondere im Hinblick auf die ‚erweiterte Kompetenz‘ abgestimmt werden mit der BÄK, DIVI, BAND. Für die Auswahl und Anwendung der Maßnahmen der ‚erweiterten Kompetenz‘ sollen innerhalb eines engen Handlungskorridors (in der Regel symptom- oder situationsbezogene) Algorithmen als Richtlinien („Standing orders“) dargestellt werden.
- Schulen
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- Staatliche Aufsicht (Berufsfachschule)
- Ärztliche Fachaufsicht (Schulleitung)
- Sonstige Regelungen
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- bereits ausgebildetes Rettungsdienstfachpersonal kann eine Anerkennung nach den Bestimmungen des neuen RettAssG nur durch den in einer analogen Prüfung zu erbringenden Nachweis adäquat erworbener Kenntnisse und Fähigkeiten erlangen.
Die Anwendung der ‚erweiterten Kompetenz‘
Mit einem novellierten RettAssG wird eine bewusst qualitativ erweiterte Regelkompetenz vermittelt. Die Ausweitung der Kompetenz des Rettungsassistenten im Rahmen einer dann dreijährigen Ausbildung – in Verbindung mit einer regelmäßigen Fortbildung – erfordert von Rettungsassistentinnen und –assistenten ein erhebliches Maß an Verantwortungsbewusstsein.
Sie stellt aber keinen Einstieg in ein notarztfreies Rettungssystem dar. Der grundsätzliche Anspruch des Notfallpatienten auf eine ärztliche Behandlung bleibt bestehen. Bei Inanspruchnahme der erweiterten Kompetenz ist daher in der Regel der Notarzt hinzuzuziehen.
Gerade die ‚Erweiterte Kompetenz‘ erfordert ein umfassendes ärztliches Qualitätsmanagement mit ärztlicher Weisungsberechtigung und Fachaufsicht durch einen beim Träger des Rettungsdienstes angesiedelten ‚Ärztlichen Leiter Rettungsdienst‘.
Die für den Rettungsdienst zuständigen Länderministerien/Senatoren werden gebeten, durch entsprechende verbindliche Regelungen den ‚Ärztlichen Leiter Rettungsdienst‘ nach den Empfehlungen der Bundesärztekammer (Notarzt 11 (1995) 99) und unter Berücksichtigung der Ergebnisse des BAND-Workshops ‚Ärztlicher Leiter Rettungsdienst‘ – gemeinsam mit dem ANR und dem IfN – am 2./3. März 2001 in München beim Träger des Rettungsdienstes zu institutionalisieren.
Analog zur Ausbildung soll die Auswahl und Anwendung der Maßnahmen innerhalb eines engen Handlungskorridors auf der Basis festgelegter (symptom- oder situationsbezogener) Algorithmen als Richtlinien („Standing orders“ des Ärztlichen Leiters Rettungsdienst) erfolgen.
Die definitive Festlegung der Algorithmen muss unter Berücksichtigung der lokalen und regionalen strukturellen Besonderheiten auf der Ebene des Rettungsdienstbereiches wiederum durch den Ärztlichen Leiter Rettungsdienst erfolgen (Richtlinienkompetenz). Die Inhalte der Ausbildung und die Algorithmen müssen den Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaften entsprechen.
Der Rettungsassistent hat die Verhältnismäßigkeit der Mittel zu wahren, d.h. vorrangig die am wenigsten invasive und durch Nebenwirkungen/Komplikationen belastete, dabei jedoch noch als wirksam anzusehende Maßnahme zu wählen.
Alle im Rahmen mindestens der ‚erweiterten Kompetenz‘ durchgeführten Maßnahmen sind zu dokumentieren.