Stellungnahme der BAND zur Novellierung der Musterweiterbildungsordnung (MWBO) für die Zusatzbezeichnung „Notfallmedizin“
Stellungnahme der BAND e.V. vom 9. 2. 2018
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Stellung des Notarztes
Der Notarzt ist im öffentlichen Rettungsdienst d.h. im Bereich der öffentlichen Gefahrenabwehr und Gesundheitsvorsorge – geregelt durch die Rettungsdienstgesetze der Länder – tätig. Seine Tätigkeit ordnet sich in den Rahmen des gesetzlich gestuften Hilfeleistungssystems ein, in dem sie die höchste Qualifikationsstufe darstellt. Voraussetzung für die Mitwirkung im Rettungsdienst ist in den meisten Bundesländern die Zusatzbezeichnung „Notfallmedizin“.
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Tätigkeitsbeschreibung
Die Besonderheit der Tätigkeit des Notarztes im Rettungsdienst besteht darin, dass es sich hierbei in der Regel nicht um eine Haupttätigkeit handelt, sondern dass der Einsatz meist neben einer sonstigen beruflichen ärztlichen Tätigkeit in Klinik und Praxis erfolgt. Medizinisch steht beim Handeln des Notarztes die Anwendung vorgezogener interdisziplinärer intensivmedizinischer Behandlungs- maßnahmen im Vordergrund. Darüber hinaus bestehen einsatztaktische, organisatorische und technische Tätigkeitsmerkmale. Die Kooperationsfähigkeit des Notarztes mit am Einsatz beteiligten Kräften und Stellen ist erforderlich. Weiterhin muss er die ihm vom Gesetzgeber zugewiesene Führungsfunktion in medizinischen und medizintaktischen Fragen wahrnehmen. In rechtlicher Hinsicht befindet sich der Notarzt im Status des Garanten, der im Einsatz die leitliniengerechte Versorgung des Notfallpatienten zu gewährleisten hat.
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Voraussetzungen für den Einsatz
Zur Umsetzung der erwarteten und geforderten Tätigkeiten bedarf es eines hohen Fertigkeitsniveaus, das grundsätzlich nur während einer klinischen Weiterbildung erworben werden kann. Unabdingbar ist deshalb eine ausreichende klinische Erfahrung und der Erwerb von spezifischen notfall-/intensivmedizinischen Kenntnissen und Fertigkeiten. Die erforderliche Qualifikation ist gleichzusetzen mit einer allein verantwortlichen Tätigkeit im klinischen Einsatz. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Zusatzbezeichnung schon vor einer Facharztqualifikation erworben werden kann.
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Vorgaben der Musterweiterbildungsordnung
Zum Erwerb der Zusatzbezeichnung „Notfallmedizin“ sind die vorgenannten Punkte zu berücksichtigen, um die Anforderungen der Praxis zu genügen.
Klinische Erfahrung.
Um die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten zu erwerben, ist eine ausreichende mindestens 30-monatige Weiterbildung in einem Gebiet der unmittelbaren Patientenversorgung im stationären Bereich unter Befugnis an Weiterbildungsstätten erforderlich. Hiervon sind mindestens 6 Monate in einer Notaufnahme und/oder Anästhesie sowie 6 Monate in der Intensivmedizin zu absolvieren. Dabei steht im Vordergrund der Erwerb der interdisziplinären Qualifikation der vorgegebenen Kenntnisse und Fertigkeiten – nicht die Organisationsform der jeweiligen stationären Einrichtung.
Praktische Fertigkeiten.
Durch die Notwendigkeit der Anwendung invasiver Maßnahmen ist auch die Beherrschung dieser Maßnahmen in der praktischen Anwendung unabdingbare Voraussetzung. Die MWBO sieht hierfür eine Reihe von Richtzahlen, die auf nachgewiesener Evidenz beruhen, vor, die im Rahmen der Vorbereitung erfüllt sein müssen. Eine Reduzierung erscheint nicht sinnvoll. Das Problem der Vermittlung besteht in der Tatsache der Seltenheit des Anfalls dieser Maßnahmen im klinischen Alltag und Ablauf und der Chance des Einzelnen, diese unter Anleitung selbst durchführen zu können. Aus diesem Grund sollte in Erwägung gezogen werden, auch eine Übung an Humanpräparaten sowie im Rahmen der Simulation zu einem Teil zu akzeptieren.
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Besonderheiten des Einsatzes
Auf dem Hintergrund des Notfallsanitätergesetzes ist damit zu rechnen, dass zukünftig Notfallsanitätern heilkundliche, invasive Maßnahmen übertragen werden, so dass deren Intensität der medizinischen Versorgung deutlich angehoben wird. Auch hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, dass die Qualifikation des Notarztes die des Notfallsanitäters deutlich übersteigen muss.
Im Gegensatz zur klinischen Tätigkeit besteht für den Notarzt keine Möglichkeit, in kritischen Situationen bei vital bedrohten Patienten, die die Indikation für den Einsatz eines Notarztes darstellen, auf den Rat und die Unterstützung eines erfahreneren Kollegen zurückgreifen zu können.
In der Anfangsphase seiner medizinischen Weiterbildung befindet sich der Arzt in einem abhängigen „Ausbildungsverhältnis“ und wird durch seinen Weiterbilder angeleitet. Als Notarzt ist er jedoch als medizinischer Einsatzverantwortlicher in einer Führungsposition, die sich von seiner klinischen Tätigkeit unterscheidet. Er ist ungewohnt – gesetzlich gesichert – weisungsbefugt gegenüber den am Einsatz Beteiligten, was nur auf der Basis einer definierten hohen Qualifikation möglich ist.