Notärzte intensiver auf Einsätze vorbereiten (Mai 2025)
Bundesvereinigung fordert Ausweitung der Ausbildungszeit – Einführung eines spezialisierten Notarztes für schwierige Einsätze empfohlen – Warten auf Reform der Notfallversorgung
Berlin. Notärztinnen und Notärzte in Deutschland müssen für die Versorgung von Akut-Erkrankten oder Schwerverletzten noch besser ausgebildet werden. Das fordert die „Bundesvereinigung der Arbeitsgemeinschaften der Notärzte Deutschlands“ (BAND). Sie vertritt mehr als 12.000 Notfallmedizinerinnen und Notfallmediziner in ganz Deutschland, die tagtäglich mit Notarztwagen und Rettungshubschraubern im Einsatz sind. Außerdem berät die BAND einflussreiche Gremien auf allen Ebenen zur Weiterentwicklung des Notarztwesens.
„Wir haben in Deutschland eine gute Notarzt-Ausbildung und eine gute notärztliche Versorgung“, stellt der Vorsitzende der BAND, Dr. Florian Reifferscheid, fest. „Aber die Ansprüche an die Notärztinnen und Notärzte draußen sind in den vergangenen Jahren höher und das Spektrum breiter geworden.“ Das beginne schon mit der Frage, ob ein Notfallpatient von zu Hause eventuell nicht ins Krankenhaus transportiert werden muss und der damit verbundenen Verantwortung. Und das endet zum Beispiel mit der umfangreichen Schwerverletztenversorgung beispielsweise nach einer Messerstecherei, inklusive der Reanimation oder der Anlage von Brustkorb-Drainagen im Rettungswagen.
Nicht mehr 24, sondern 30 Monate Ausbildung bis zum ersten Einsatz
Weil Notärztinnen und Notärzte inzwischen oft Aufgaben mit höherem Schwergrad bewältigen und eine größere Kompetenz als Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter haben müssen, schlägt die BAND eine Reihe von Schritten vor: Zunächst soll die Ausbildungszeit im Krankenhaus, bis eine Medizinerin oder ein Mediziner erstmals auf dem Notarztwagen ausrücken darf, von 24 auf 30 Monate ausgedehnt werden. In den zusätzlichen Monaten sollen die Kolleginnen und Kollegen auf der Intensivstation noch genauer lernen, wie kritisch kranke oder schwerverletzte Patienten speziell beatmet, wie hochwirksame Kreislaufmedikamente angewendet und wie Therapie-Konzepte geändert, ausgeweitet oder am Ende eines Lebens in Würde beendet werden. Während einer Ausbildungsphase in der Kinder-Notfallversorgung oder Kinder-Anästhesie sollen sie noch einmal die Versorgung von Säuglingen, Kindern und Jugendlichen für den Notfall ausführlich trainieren. Darüber hinaus sollen die Kolleginnen und Kollegen in der klinischen Ausbildung die möglichen Varianten von Narkosen genauer kennenlernen: „Es wäre besser, wenn wir für die klinische Ausbildung zum Notarzt insgesamt etwas mehr Zeit hätten“, fasst Dr. Reifferscheid zusammen. Es sei aber nicht nur wichtig, die verschiedenen Notfall-Techniken zu beherrschen, sondern im Notarztdienst auch ein gutes Verständnis für Gesamtzusammenhänge zu haben, auch spezielle Behandlungsmöglichkeiten und Angebote zu kennen wie zum Beispiel die Herz-Unterstützung durch Apparate oder die
Palliativversorgung für Menschen in ihrem letzten Lebensabschnitt. Die angedachten Veränderungen ließen sich über eine Anpassung der Weiterbildungsordnung für Ärztinnen und Ärzte schrittweise umsetzen, die ja auch eines der Themen auf dem bevorstehenden „Deutschen Ärztetag“ Ende Mai in Leipzig sei. Mit der Realisierung müsse man dann so schnell wie möglich beginnen, damit die nächste Generation von Notärztinnen und Notärzten davon profitieren könne.
Ausbildung über die Kosten des Rettungsdienstes finanzieren
Dabei hat sich die BAND auch über die Finanzierung der zusätzlichen Ausbildung Gedanken gemacht: „Die Kosten müssen über die Rettungsdienstgebühren abgedeckt werden“, schlägt Dr. Peter Gretenkort, stellvertretender Vorsitzender der „Bundesvereinigung der Arbeitsgemeinschaften der Notärzte Deutschlands“, vor. Es dürfte nicht sein, dass die Notärztinnen und Notärzte die Kurse selbst bezahlen müssten. Nächster Schritt: Mehr Fortbildungen nach klaren Vorgaben: „Wir brauchen einen geordneten Kompetenzerhalt“, sagt der BAND-Vorsitzende Reifferscheid. „Und aus meiner Sicht ist es ganz, ganz wichtig, dass wir bundesweit eine einheitliche Fortbildungspflicht für Notärztinnen und Notärzte einführen.“ Denn derzeit gibt es in den Bundesländern, Ärztekammer-Bereichen und Rettungsdienstbezirken dafür sehr unterschiedliche Konzepte.
Notfallsanitätern fehlt die klinische Erfahrung
Auch in Zukunft würden Notärztinnen und Notärzte an der Einsatzstelle leibhaftig benötigt, trotz der Einführung des Telenotarztes in vielen Regionen und der höheren Qualifikation des Rettungsdienstpersonals durch die Einführung des Notfallsanitäters vor mehr als zehn Jahren, ist sich die BAND sicher: „Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter kommen im Einsatz irgendwann auch an ihre fachlichen Grenzen“, erläutert der Co-Vorsitzende der BAND, Dr. Peter Gretenkort: „Sie können nicht für alle Aufgaben qualifiziert werden. Das hat ganz besonders mit der klinischen Erfahrung zu tun. Und da ist es wichtig, dass wir fachliche Kompetenz durch Notärztinnen und Notärzte vorhalten und vor Ort die Maßnahmen umsetzen, die der Patient benötigt.“ In einem weiteren Verbesserungsschritt soll dann bei besonders anspruchsvollen Rettungsdienst-Einsätzen neben dem regulären Notarzt von der Rettungsleitstelle direkt ein besonders erfahrener Notarzt zusätzlich mitgeschickt werden, ähnlich der Zusammenarbeit in einem größeren Team unterschiedlicher Fachrichtungen im Schockraum eines Krankenhauses. Diese spezialisierten Notärzte könnten – wie schon in einigen Großstädten in Deutschland umgesetzt – mit einem eigenen Blaulicht-Fahrzeug oder mit dem Rettungshubschrauber zum Patienten gebracht werden. Sie unterstützen ihre Kolleginnen und Kollegen, schwierige Entscheidungen zu treffen oder können sehr spezielle Techniken wie zum Beispiel eine Kinder-Beatmung oder eine Brustkorb-Eröffnung für eine Herz-Lungen-Wiederbelebung ausführen.
„Reform muss nicht mehr großartig verändert werden“
Die BAND sieht ihre Vorschläge als „Bausteine“, um den Rettungs- und Notarztdienst in Deutschland für die Zukunft fit zu machen. Andere, entscheidende Elemente zur Stärkung des Systems könnten durch die längst geplante Reform der Notfallversorgung in Deutschland beigesteuert werden: „Die Reform war bereits abgestimmt und muss nicht mehr großartig verändert werden“, sagt Dr. Reifferscheid. Die Hoffnung ruhe hier auf der neuen Bundesregierung.