Pressemeldung der BAND e.V.
Mit jeder Minute, die Notarzt und Rettungsfachpersonal später eintreffen, sinkt die Chance auf ein gutes Überleben nach außerklinischem Herz-Kreislauf-Stillstand um 3,7%
Berlin, 18.09.2025
Die planerischen Eintreffzeiten des Rettungsdienstes sind in Deutschland durch sogenannte „Hilfsfristen“ geregelt und in den Bundesländern unterschiedlich lang. Für den außerklinischen Herz-Kreislauf-Stillstand konnten Studien einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Eintreffzeit des ersten Rettungsmittels am Einsatzort und der Häufigkeit der Wiederherstellung eines Spontankreislaufs bis zur Klinikaufnahme einerseits sowie einer Entlassung aus dem Krankenhaus andererseits nachweisen.
Eine aktuelle Arbeit [1], die von einer Autorengruppe aus der Bundesvereinigung der Arbeitsgemeinschaften der Notärzte Deutschlands (BAND) in der medizinischen Fachzeitschrift „Die Anaesthesiologie“ veröffentlicht wurde, zeigt überlebensrelevante Unterschiede zwischen den Bundesländern in Deutschland für Patientinnen und Patienten mit außerklinischem Herz-Kreislauf-Stillstand.
Anhand aktueller Daten des Deutschen Reanimationsregisters musste die Nullhypothese, dass die Bürgerinnen und Bürger im Falle eines Herz-Kreislauf-Stillstandes in allen Bundesländern eine gleich schnelle medizinische Versorgung durch Notarzt- und Rettungsdienst erhalten, verworfen werden.
Neben der Analyse der Eintreffzeiten des ersten Fahrzeugs des Rettungsdienstes (Rettungswagen oder Notarzteinsatzfahrzeug bzw. Rettungshubschrauber) wurden die Eintreffzeiten des zweiten Fahrzeugs, die das komplette Team aus Rettungsfachpersonal und Notärztin/Notarzt (Team-Eintreffzeit) darstellen, betrachtet.
Für die Studie standen die Daten von 104.657 Patienten aus dem Zeitraum 2014–2024 zur Verfügung.
Der Analyse zufolge verringert eine längere Team-Eintreffzeit die Chancen auf ein Überleben mit guter neurologischer Erholung signifikant und relevant. Die Überlebenschance mit guter neurologischer Erholung wird daneben verbessert durch Ersthelfenden-Reanimation, Zeugen und öffentliche Orte des Herz-Kreislauf-Stillstandes, sowie kürzere Prozesszeiten bis zur ersten Beatmung, Defibrillation und Medikamentengabe.
Die Überlebenschance verringert sich um 3,1 bzw. 3,3% pro Minute, bezogen auf den Endpunkt Entlassung aus der Klinik bzw. 30-Tage-Überleben und 2,2 bzw. 3,7% pro Minute, bezogen auf ein Überleben mit guter neurologischer Erholung.
Bei einer Verzögerung der Team-Eintreffzeit um 5 min verringert sich die Chance auf ein Überleben mit guter neurologischer Erholung um 19%.
Die Untersuchung zeigt erstmalig für die Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland signifikante Unterschiede der Eintreffzeiten des ersten Rettungsmittels und der Team-Eintreffzeiten bei Herz-Kreislauf-Stillstand mit Reanimation. Verlängerte Eintreffzeiten des Rettungsdienstes sind mit einer schlechteren Prognose assoziiert, insbesondere bezüglich der Chance auf ein Überleben mit guter neurologischer Erholung. In der Multiplikation der errechneten Chancenverschlechterung pro Minute mit den statistisch nachweisbaren Differenzen bei den Eintreffzeiten ergeben sich für betroffene Patientinnen und Patienten relevante Unterschiede zwischen den Bundesländern in der rettungsdienstlichen Versorgung bei außerklinischem Herz-Kreislauf-Stillstand.
Die Bedeutung eines möglichst kurzen therapiefreien Intervalls bei vorliegendem Herz-Kreislauf-Stillstand wird auch im gerade erschienenen „Eckpunktepapier 2025 zur notfallmedizinischen Versorgung der Bevölkerung in der Prähospitalphase und in der Klinik“ [2] deutlich unterstrichen. Es fordert zudem eine konsequente Erfassung und Kontrolle der Hilfsfrist und deren Erreichungsgrade.
Die vorliegenden Daten zeigen, dass die Eintreffzeiten in den Bundesländern sehr unterschiedlich sind. Die Autoren werfen die Frage auf, ob Bund und Länder ihrer Verpflichtung zur Sicherstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse angesichts regional unterschiedlicher rettungsdienstlicher Strukturen am Beispiel des Herz-Kreislauf-Stillstandes hinreichend nachkommen.
„Der außerklinische Herz-Kreislauf-Stillstand ist ein dramatischer und äußert zeitkritischer Notfall. Für ein möglichst gutes Überleben kommt es auf jedes einzelne Glied der Rettungskette an, von der telefonisch angeleiteten Laienreanimation über smartphonebasierte Ersthelfer und First Responder bis hin zum professionellen Rettungsdienst. Unsere Daten unterstreichen darüber hinaus, dass nicht nur das frühzeitige Eintreffen des ersten Rettungsmittels, sondern gerade die Verbindung von Rettungswagen und arztbesetztem Rettungsmittel als hochqualifiziertem interprofessionellem Team aus Rettungsfachpersonal und Notärztin/Notarzt einen wesentlichen Einfluss auf das Überleben hat. Vier oder mehr Rettungskräfte unter notärztlicher Leitung können effizienter erweiterte Reanimationsmaßnahmen durchführen als zwei.“ Das sagt Dr. Florian Reifferscheid, der Vorsitzender der Bundesvereinigung der Arbeitsgemeinschaften und Mitautor der Studie.
„Um die Überlebenschancen überall in Deutschland zu verbessern, benötigen wir verstärkt Bemühungen, eine einheitlich definierte Hilfsfrist flächendeckend zu etablieren. Nur durch eine vergleichbare Definition des Planungszieles vom „ersten Klingeln“ in der Rettungsleitstelle bis zum Eintreffen der Rettungskräfte lässt sich eine bundesweite Vergleichbarkeit schaffen. Die Überlebenschancen nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand sollten nicht davon abhängen, in welchem Bundesland dieser eintritt“, ergänzt Dr. Ulf Harding, einer der beiden Erstautoren der Untersuchung.
Mit Blick auf die vom 22. bis 28. September startende „Woche der Wiederbelebung“ betont Prof. Dr. Matthias Fischer die Bedeutung der Rettungskette: „Wenn alle Glieder der Rettungskette perfekt ineinandergreifen – vom frühen Erkennen der Warnzeichen eines Herz-Kreislauf-Stillstandes über die Laienreanimation und Versorgung durch Ersthelfende und First Responder wird die Basis für weiterführende Maßnahmen durch das professionelle Rettungsteam aus Rettungsfachpersonal und Notärztinnen und Notärzten geschaffen. Zahlreiche Aktionen bieten in der Woche der Wiederbelebung Gelegenheit dazu.“
- Fischer M, Harding U, Genzwürker H, Seewald S, Gretenkort P, Reifferscheid F. Eintreffzeiten des Rettungsdienstes bei außerklinischem Herz-Kreislauf-Stillstand – überlebensrelevante Unterschiede zwischen den Bundesländern in Deutschland. Anaesthesiologie (2025). https://doi.org/10.1007/s00101-025-01592-9
- Trentzsch, H., Fischer, M., Marung, H. et al. Eckpunktepapier 2025 zur notfallmedizinischen Versorgung der Bevölkerung in der Prähospitalphase und in der Klinik. Notfall Rettungsmed (2025). https://doi.org/10.1007/s10049-025-01612-6
Für weitere Auskünfte erreichen Sie
die Geschäftsstelle der BAND e.V. unter (030) 25 89 99 86, geschaeftsstelle@band-online.de oder
den Vorsitzenden der BAND e.V., Dr. Florian Reifferscheid unter (030) 25 89 99 88, reifferscheid@band-online.de
Über die BAND e.V.
Die Bundesvereinigung der Arbeitsgemeinschaften der Notärzte Deutschlands (BAND) e.V. ist die Dachorganisation der 12 deutschen Notarztarbeitsgemeinschaften. Satzungsgemäß wahrt sie die überregionalen Interessen aller Mitgliedsarbeitsgemeinschaften als deren einheitliche berufspolitische Vertretung in der Notfallmedizin, koordiniert die Aktivitäten der Mitgliedsarbeitsgemeinschaften, wirkt auf eine kontinuierliche Verbesserung der notfallmedizinischen Versorgung der Bevölkerung und eine bundesweit einheitliche Qualifikation der Notärzte hin und leistet die zentrale Öffentlichkeitsarbeit in der Notfallmedizin für alle Mitgliedsarbeitsgemeinschaften. Insgesamt vertritt sie so die Interessen der rund 12.000 Notärztinnen und Notärzten, die Mitglieder in den Arbeitsgemeinschaften sind.
Die BAND ist seit den 1980er Jahren gemeinsam mit Bundes- und Landesärztekammern und den Ministerien der Bundesländer maßgeblich mitbeteiligt an der Ausprägung der Grundelemente unseres heutigen Notarzt- und Rettungswesens, insbesondere bei der Erarbeitung der Konzepte zu Aufgaben und Ausbildung von Rettungsassistenten, Notärzten, Leitenden Notärzten sowie Ärztlichen Leitern des Rettungsdienstes.
Text und Abbildung können zur Vervielfältigung genutzt werden.


